Künstliche Intelligenz und Machine Learning mit Quantencomputern

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Künstliche Intelligenz und Machine Learning mit Quantencomputern: Nur ein Superhype?

Künstliche Intelligenz und Machine Learning sind in aller Munde. Unser Alltag wird immer mehr durch sie bestimmt, sowohl im Offensichtlichen als auch im Verborgenen. Viele Branchen können sich gar nicht mehr erlauben Investitionen in Künstliche Intelligenz und Machine Learning zu ignorien. Staaten treiben mit Milliarden an Fördergeldern die Erprobung neuer Möglichkeiten voran i, und große gesellschaftliche Umbrüche stehen uns bevor.

Mit anderen Worten: Künstliche Intelligenz und Machine Learning ist vielleicht das Hype-Thema unserer Tage schlechthin.

Einer anderen Technologie, die ein gewaltiges Potential hat, habe ich diese Webseite gewidmet: Den Quantencomputern.

Was passiert also wenn ein Hype auf einen anderen Hype trifft?

Vorsichtig sein, sagt uns unser Instinkt. In diesem Artikel gebe ich Ihnen einen realistischen und aktuellen Lagebericht zu dem Thema. Wie angebracht diese Vorsicht ist, beweist die folgende Episode.

Eine Teenagerin schreckt die komplette Forschergemeinde auf (Teil 1)

Juni 2018, University of California in Berkeley: Eine Woche lang beraten führende Wissenschaflter für Quantencomputer-Algorithmen auf der Konferenz „Challenges in Quantum Computation“ über die Herausforderungen vor denen die aktuelle Forschung steht.

Am Ende der Konferenz bittet Scott Aaronson, von der University of Texas in Austin und einer der führenden Köpfe der Quantencomputer-Szene, einige Teilnehmer zu einer Extraschicht in einer dringenden Angelegenheit. Die Forscher treffen sich in der Folgewoche wieder. Unter ihnen sind auch Iordanis Kerenidis und Anupam Prakash.

Zwei Jahre zuvor hatten die beiden Forscher einen Algorithmus für ein Quanten-Empfehlungssystem entwickelt ii. Empfehlungssysteme ermitteln Vorlieben von Kunden anhand ihrer Bestellhistorie und bilden häufig das Herzstück von Bigdata-Unternehmen wie Amazon oder Netflix.

Der neue Algorithmus von Kerenidis und Prakash hatte in der Zwischenzeit eine enorme Aufmerksamkeit in der Forschergemeinde bekommen. Er war einer der ersten Quanten-Algorithmen, der speziell auf eine reale Anwendung im Bereich Bigdata und Machine Learning zugeschnitten war und erwiesenermaßen eine exponentielle Beschleunigung gegenüber allen bekannten Algorithmen für herkömmliche Computer besaß.

Am Morgen des 18. Junis tritt Aaronsons junge Studentin Ewin Tang vor die erlesene Runde und beginnt einen Vortrag über Kerenidis und Prakashs Arbeit.

Und langsam dämmert den verblüfften Anwesenden die bittere Tragweite von Ewin Tangs Ausführungen … (Teil 2 folgt weiter unten).

Künstliche Intelligenz und Machine Learning: Ein Kurzüberblick

Um die Episode zu beenden und überhaupt um diesen Artikel zu verstehen, müssen wir erst mal ganz von vorne anfangen. Was ist eigentlich Künstliche Intelligenz oder Machine Learning?

Eines der Hauptziele der klassischen künstlichen Intelligenz und des Machine Learnings ist es Daten zu struktieren und zu klassifizieren. Folgende Schwerpunkte gibt es dabei:

  • Supervised Machine Learning, überwachtes Maschinelles Lernen: Dabei werden bekannte und bereits beurteilte Daten dafür verwendet, um neue Daten zu klassifizieren. Das Standardbeispiel hierfür sind die Deep Learning – Netzwerke. Ein Deep Learning – Netzwerk wird z.B. mit beurteilten Tierbildern gefüttert (Bild 1 = „Katze“, Bild 2 = „Vogel“, Bild 3 = „Katze“, …). Nach einer längeren Anlernphase ist das Netzwerk optimiert bzw. trainiert und in der Lage neue, unbekannte Bilder richtig einzuordnen.
  • Unsupervised Machine Learning, unüberwachtes Maschinelles Lernen: Dabei wird nach Zusammenhängen und Gruppen in Rohdaten gesucht, ohne dass irgendwelche Zusatzinformationen zu diesen Daten bekannt wären. Dadurch wird versucht, die Rohdaten auf das „Wesentliche“ zu reduzieren.
  • Semi-supervised Machine Learning, teilüberwachtes Maschinelles Lernen: In einer Datenmenge sind einige Daten bereits beurteilt und einige noch nicht. Anhand der zusätzlichen Informationen wird versucht, die gesamte Datenmenge besser zu strukturieren und zu gruppieren. Dies geschieht insbesondere über statistische Methoden.
  • Reinforced Machine Learning, bestärkendes Maschinelle Lernen: Das Verhalten eines Softwareagenten wird mittels „Belohnung und Bestrafung“ immer weiter verbessert.

Die ersten beiden Schwerpunkte erläutere ich Ihnen im Weiteren etwas genauer. Dabei stelle Ihnen einige Algorithmen für Quantencomputer vor, von denen man sich eine Beschleunigung gegenüber Methoden für herkömmliche Computer erhofft.

Wie Machine Learning – Algorithmen Rohdaten sehen

Um Rohdaten für das Machine Learning aufzubereiten, hat es sich bewährt, diese Daten als Zeiger bzw. „Vektoren“ in riesigen, hochdimensionalen Datenräumen darzustellen. Und mit „riesig“ meine ich jetzt nicht so etwas, wie die „grenzenlosen Weiten des Weltalls“, sondern einen abstrakten Hyperraum mit vielen, vielen Dimensionen (also Achsen, die jeweils senkrecht aufeinander stehen). Hier wieder mein Hinweis: Versuchen Sie erst gar nicht, sich mehr als drei senkrechte Achsen räumlich vorzustellen (nämlich Höhe, Länge, Breite). Wir Menschen können es einfach nicht! Die Mathematik hat damit allerdings überhaupt keine Probleme. Sie kann mit beliebig vielen Dimensionen arbeiten, sogar mit unendlich vielen.

Ein Bild mit 16 * 16 Pixeln, wird so z.B. als ein Zeiger in einem Datenraum mit 16 * 16 = 256 Dimensionen dargestellt. Falls Pixel Nr. 194 in dem Bild auch nur etwas grau ist, dreht sich der Datenzeiger etwas in die Richtung der 194. Achse und zwar umso mehr, je schwarzer der Punkt im Bild ist.

Machine Learning mit Quantencomputern

Solche Datenräume stellen für herkömmliche Computer einen gewissen Aufwand dar: Um z.B. einen Zeiger in einer Ebene mit auch nur zwei Dimensionen (also wie ein Uhrzeiger) mit einer Genauigkeit von 0.1% darzustellen, braucht Ihr Computer etwa 20 Bits. Um diesen Zeiger zu verändern, in dem er z.B. gedreht wird, muss auf jedes dieser 20 Bits ein größere Anzahl an elementaren Bit-Operationen ausgeführt werden.

Ein Quantencomputer besitzt solche Zeigerdarstellungen von Natur aus. In meinem Artikel „Das Qubit und ein Magier bei Britain has Got Talent“ erkläre ich Ihnen, dass sich ein Qubit selbst, etwas vereinfacht, wie ein Zeiger in einer Ebene verhält. Die Achsen heißen in dem Fall „0“ und „1“. Im Prinzip kann unser Zeiger-Beispiel also mit einem einzigen Qubit dargestellt werden.

Zeiger-Operationen sind prinzipiell ebenfalls direkt im Quantencomputer eingebaut und erfordern nur wenige Qubit-Operationen bzw. Quantengatter.

Aber es geht noch viel besser: Dieser Vorteil eines Quantencomputers verstärkt sich prinzipiell, je größer bzw. hochdimensionaler die Datenräume werden.

Und zwar exponentiell, also quasi explosionsartig!

Der Grund dafür ist, dass ein Quantencomputer seine potentielle Leistungsfähigkeit mit jedem weiteren Qubit verdoppelt. Dieses Quanten-Phänomen beschreibe ich genauer in meinem Einführungsartikel „Quantencomputer einfach erklärt“.

Unsupervised Machine Learning mit Quantencomputern

Dieser exponentielle Quanten-Vorteil ist bereits ein Hauptargument vieler Quanten-Algorithmen für Machine Learning.

Auch klassische Algorithmen können viele Information über Rohdaten ermitteln, wenn sie als Zeiger in einem Datenraum dargestellt werden. Über die bloße „räumliche“ Verteilung ihrer Zeigerspitzen in dem riesigen Datenraum können sie z.B. zu Gruppen zusammengefasst werden.

Ein Quantencomputer rechnet prinzipiell anders als ein herkömmlicher Computer. Abstände von zwei Zeigerspitzen können über einen kleinen Rechen-Trick allerdings auch mit einem Quantencomputer berechnet werden: Dabei werden die Zeiger in zwei neue, sehr spezielle Zeiger umgewandelt. Der Abstand der ursprünglichen Zeigerspitzen wird dann aus dem Winkel der zwei neuen Zeiger ermittelt iii.

Die Hauptkomponentenanalyse mit Quantencomputern

Ein weiterer interessanter Algorithmus für das klassische Unsupervised Machine Learning ist die Hauptkomponentenanalyse bzw. Principal Component Analysis (PCA) iv. Die PCA verwendet für die Rohdaten ebenfalls den Datenraum. Darin werden die Datenpunkte bzw. die Zeigerspitzen als Bausteine eines massiven, starren Körpers interpretiert. Für diesen Körper können dann „mechanische Eigenschaften“ ermittelt werden. Die Hauptdrehachsen des Körpers (bei einem Spielzeugkreisel wäre die Hauptachse z.B. die senkrechte Drehachse des Kreisels) sind dann gerade die Hauptkomponenten des Datensatzes. Die PCA reduziert den starren Köper des Datensatzes im Prinzip auf einfachere geometrische Formen, mit ähnlichen mechanischen Eigenschaften. Die Rohdaten werden dadurch ebenfalls auf ihre Hauptkomponenten-Anteile reduziert.

Für die PCA wurde ebenfalls ein Quanten-Algorithmus mit einer exponentiellen Beschleunigung gefunden v. Dieser nutzt eine ganzen Latte von weiteren vielversprechenden Quanten-Algorithmen aus. Unter anderem der „Quantum Matrix Inversion“ oder geläufiger als „HHL-Algorithmus“ bezeichnet (nach seinen Autoren Harrow-Hassidim-Lloyd) vi. Der HHL-Algorithmus wurde 2008 gefunden und basiert selbst auf mehreren Algorithmen, die ich auf quantencomputer-info.de teilweise schon vorgestellt habe. Er ist in der Lage sogenannte lineare Gleichungssysteme exponentiell schneller zu lösen als alle herkömmlichen Algorithmen. Solche Gleichungssysteme so extrem häufig, dass der HHL-Algorithmus mittlerweile einer der Eckpfeiler der Forschung für Quanten-Algorithmen ist.

Quantencomputer und Machine Learning: Lese das Kleingedruckte …

Die spektakulären Quanten-Algorithmen, die ich bisher erwähnt habe, haben allerdings mindestens einen ganz gewaltigen Haken: Wie kommen die klassischen Rohdaten in den Quantencomputer?

Ein Quantencomputer ist in der Lage die Rohdaten exponentiell effizient darzustellen, soweit korrekt. Trotzdem müssen sie aber erstmal irgendwie in den Quantencomputer gelangen. Wenn das nicht mindestens genauso effizient erfolgen kann, ist der ganze Vorteil des superschnellen Quanten-Algorithmus bereits ganz am Anfang wieder hinfällig.

Wie dies erfolgen könnte wurde natürlich auch schon untersucht. Das vielversprechendste Konzept dafür nennt sich Quantum Random Access (QRAM) vii. QRAM hat aber auch einen Haken: Es gibt ihn noch nicht und wäre auch eine zusätzliche Quanten-Hardware, um die man sich kümmern müsste. QRAM besitzt eine Baumstruktur, an deren Knoten bzw. Verästlungen Quantenweichen sitzen, die jede Laderoutinen entweder in den linken oder in den rechten Seitenast weiterleiten. An den Blättern des Baumes befinden sich dann Informationen über die Zeiger der Rohdaten. Die Quantenweichen besitzen, anders als die Qubits, nicht zwei Quantenzustände, sondern drei. Von diesen Zuständen muss der Grundzustand besonders stabil sein. Die Entwicklung von QRAM ist noch völlig offen.

Ein weiterer Haken vieler Quanten-Algorithmen für Machine Learning: Wie Sie erfahren haben, basieren sie auf einer Mehrzahl zusätzlicher grundlegender Quanten-Algorithmen. Obwohl diese sehr spannend sind und großes Potential besitzen, wie z.B. der HHL-Algorithmus: Sie alle setzen die ein oder andere Bedingung voraus. Z.B. benötigen sie sehr große Quantencomputer oder eine gewisse Datenstruktur oder halt QRAM.

In Summe zu viele Fragezeichen für den eingangs erwähnten Scott Aaronson von der University of Texas. 2015 schrieb er einen Weckruf an seine Forscher-Kollegen: „Quantum Machine Learning Algorithms: Read the Fine Print“ viii und erhielt damit viel Zuspruch.

Eine Teenagerin schreckt die komplette Forschergemeinde auf (Teil 2)

Hier kommt seine junge Studentin wieder ins Spiel:

Ein Jahr später veröffentlichten Iordanis Kerenidis und Anupam Prakash den eingangs erwähnten Algorithmus für ein Quanten-Empfehlungssystem. Er war vielleicht der erste Algorithmus, der viele dieser Einschränkungen berücksichtigte, für eine reale Anwendung im Bereich Bigdata und Machine Learning zugeschnitten war und eine exponentielle Beschleunigung gegenüber allen bekannten Algorithmen für herkömmliche Computer besaß.

Was noch fehlte, war der Nachweis, dass es tatsächlich keinen schnelleren klassischen Algorithmus geben konnte. Scott Aaronson war genau davon überzeugt. Im Herbst 2017 übergab er die Suche nach diesem Nachweis an seine außerordentlich talentierte und vielversprechende Studentin Ewin Tang, als Thema für ihre Bachelor-Arbeit.

Was Ewin Tang dann der verblüfften Gruppe namhafter Forscher im Juni 2018 auf der Konferenz „Challenges in Quantum Computation“ in Berkeley präsentierte, war der von niemanden für möglich gehaltene Negativ-Nachweis. Ein neuer superschneller Algorithmus für Empfehlungssysteme sehr ähnlich wie der Quanten-Algorithmus Kerenidis und Prakash: Aber für herkömmliche Computer!

Erst später informierte Tangs Mentor Scott Aaronson die Forschern über ein weiteres kleines aber interessantes Detail zu dieser Entdeckung: Zum Zeitpunkt ihres Vortrages war Ewin Tang gerade einmal 18 Jahre alt ix.

„Quantum-inspired …“: Neue klassische Algorithmen für Machine Learning

Seit ihrer Entdeckung hat Ewin Tang eine Reihe von Artikeln über klassische Algorithmen mit dem Etikett „Quantum-inspired … “ veröffentlicht x. Diese machen die bereits gefunden Quanten-Algorithmen zwar nicht hinfällig, schränken aber wohl ihren Nutzen noch weiter ein xi.

Dabei ist Tangs Hauptargument das Folgende:

Wie viele andere Quanten-Algorithmen für Machine Learning und Linearer Algebra, geht auch der Algorithmus für das Quanten-Empfehlungssystem davon aus, dass die Datengrundlage (die Matrix von Benutzern und deren bekannten Produktvorlieben) Quantencomputer-gerecht und supereffizient in z.B. einer QRAM-Struktur abgelegt ist.

Tang argumentiert nun: Wer in der Lage ist, die Rohdaten in einer so aufwendigen Struktur von Quantenüberlagerungen abzulegen, sollte erst recht in der Lage sein, die Rohdaten in einer klassischen „Sample-And-Query“-Struktur abzulegen. Diese Struktur ist Tangs Pendant zum QRAM, ihm sehr ähnlich und genauso effizient aufgebaut. Anstatt mit Quanten-Überlagerungen arbeitet diese Datenbank mit reiner Statistik.

Die Rohdaten werden dabei in Datenfragmente aufgeteilt. Diese Fragmente werden in der SQ-Struktur nach ihrer Signifikanz am kompletten Datensatz statistisch gewichtet und können von dort supereffizient abgerufen werden. Die komplexe Berechnung des Quanten-Empfehlungssystems ersetzt Tang durch eine clevere statistische Einzelrechnung mit zufällig ausgewählten Datenfragmenten gemäß ihrer Gewichtung. Da auch die statistische Signifikanz der Fragmente abgerufen werden kann (ihre „statistische Verteilung“), ist Tang in der Lage das gesuchte, exakte Endergbnis abzuschätzen: Als Mittelwert aus der Statistik dieser Einzelergebnisse und mit jedem zusätzlichen Einzelergebnis immer genauer.

Dank des Quanten-Parallelismus kann der Quanten-Algorithmus von Kerenidis und Prakash von Anfang an mit dem kompletten Datensatz und exakt rechnen. Die Messung des Endergebnisses ist dann allerdings von der Quanten-Statistik abhängig. Im Gegensatz dazu „mißt“ Tang also nur Fragmente der Rohdaten gemäß ihrer statistischen Signifikanz und das schon ganz am Anfang. Dadurch reduziert sie die Datengröße und somit den Rechenumfang exponentiell und komponsiert den fehlenden Quanten-Parallelismus.

Wer meint, dass sich jetzt so ziemlich jedes Bigdata-Unternehmen um Ewin Tangs – Algorithmen reißen müsste, wird etwas enttäuscht. Tang bewertet den Nutzen ihrer bisherigen Arbeit für reale Anwendungsfälle in ihrem Blog nur „verhalten positiv“ xii.

Trotz des „Negativ-Ergebnisses“ zeigt diese Episode auch, wie fruchtbar die neuen Denkansätze für Quantencomputer selbst für herkömmliche Computer sein können. Oder wie Matthias Troyer von Microsoft Research es formuliert hat: „Ein Quanten-Algorithmus für Null Qubits“.

Quantencomputer, Künstliche Intelligenz und Machine Learning: Die Suche nach neuen Algorithmen

Als Zwischenfazit können wir festhalten: Die Quantencomputer-Forschung hat für die Künstliche Intelligenz und für das Machine Learning bereits eine Reihe interessanter Algorithmen entwickelt, die aber ihren Geschwindigkeitsvorteil hauptsächlich aus Unterroutinen wie QRAM und dem HHL-Algorithmus beziehen.

Wann und ob diese überhaupt eingesetzt werden können, ist noch offen.

Erst vor ein paar Jahren hat man damit begonnen, nach ganz neuen Wegen für die Künstliche Intelligenz und für das Machine Learning mit Quantencomputern zu suchen. Und zwar nach solchen Wegen, die bereits mit den kommenden Generationen von Quantencomputer beschritten werden können. Für Letztere prägte der bekannte Quantencomputer-Forscher John Preskill den Begriff „Noisy Intermediate Scale Quantun Computers“ (NISQ): Fehleranfällige, mäßig skalierte Quantencomputer xiii.

Drei prominente Vertreter solcher Quanten-Algorithmen habe ich Ihnen Bereits in meinem Artikel „Anwendungen für Quantencomputer“ vorgestellt: Dem „Quantum Adiabatic Algorithm“ (QAA), dem „Variational Quantum Eigensolver“ (VQE) und dem „Quantum Approximate Optimization Algorithm“ (QAOA). Die aktuelle Forschung für das Machine Learning mit Quantencomputern versucht diese Konzepte für die eigenen Ziele anzuwenden.

Kommen wir aber erst mal zu dem zweiten wichtigen Schwerpunkt der klassischen Künstlichen Intelligenz und des Machine Learnings:

Supervised Machine Learning und Deep Learning

Ein Herzstück aktueller Algorithmen für künstliche Intelligenz und Machine Learning sind „tiefe“ neuronale Netzwerke (Deep Learning – Netzwerke). Historisch gesehen war das Ziel hier, die Neuronen und Synapsen im Gehirn irgendwie programmatisch nachzuahmen. Herausgekommen ist ein Netzwerk von Knotenpunkten, die über mehrere Schichten miteinander verbunden werden.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Deep_Learning#/media/Datei:MultiLayerNeuralNetworkBigger_english.png

Anhand von beliebigen Eingabe-Daten (z.B. mit Bildern von der Ziffern „1“, Bildern von der Ziffer „2“, …) wird das Netzwerk so eingestellt bzw. „trainiert“, dass es möglichst das gewünschte Ergebnis erkennt (die Ziffer 1, 2, …) xiv. Wie die Rohdaten für die Eingabe aufbereitet werden, habe ich Ihnen weiter oben schon anhand des „Datenraumes“ erklärt.

Das klassische Deep Leaning wurde in den 1970er entwickelt aber erst 1986 durch den „Backpropagation-Algorithmus“ revolutioniert: Ein Algorithmus über den das gesamte Netzwerk mit jeder neuen Trainingsrunde besonders effizient nachjustiert werden kann. In den letzten 10-15 Jahren zog dann die Hardware nach und wurde leistungsstark genug für die komplexen Algorithmen. Das Zeitalter von Google und Social Media fügte dann den letzten fehlenden Baustein hinzu: Eine Informationsflut von beurteilten Rohdaten, mit denen die Neuronalen Netze trainiert werden können.

Wie beeindruckend gut das Deep Learning mittlerweile funktioniert, sehen wir z.B. an den selbstfahrenden Autos und an den Sprachassistenten. Warum das ganze Konzept aber so gut funktioniert ist bis heute tatsächlich noch nicht genau verstanden xv.

Quantencomputer: Netzstrukturen auf Stereoide

Aber wie kommen jetzt die Quantencomputer ins Spiel?

Auf der einen Seite haben wir also die Deep Learning – Netzwerke. Diese sind sehr komplexe, programmierte Netzstrukturen. Durch eine Trainingsphase werden sie so filigran eingestellt, dass sie neue unbekannte Eingabedaten erfolgreich beurteilen können.

Quantencomputer auf der anderen Seite, sind so etwas wie Netze „auf Stereoide“. In Quanten-Netzen können andersartige Strukturen wie selbstverständlich verwendet werden, die in „normalen“ Netzen nicht denkbar wären. Die Vermutung liegt nahe, dass Quantencomputer dadurch einen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Computer erzielen können.

Wem dieser Ansatz zu vage ist, dem sei gesagt, dass die Geschichte der Computerwissenschaften voll von „Schaun wir mal“-Algorithmen ist, die sich in der Praxis unheimlich bewährt haben. Ein Beispiel sind gerade die Deep Learning – Netze selbst.

Edward Farhi und Hartmut Neven von Googles Quantum AI-Team, haben 2018 gerade solche neuronalen Quanten-Netze genauer untersucht, die auf die NISQ-Quantencomputer optimiert sind xvi. Diese Strukturen bauen unter anderem auf Farhis oben erwähnten QAOA-Algorithmus auf.

Dabei wendeten Farhi und Neven ihre Algorithmen auch auf den MNIST-Datensatz an. MNIST ist ein öffentlich zugänglicher Datensatz von 55.000 beurteilten Bildern. Jedes Bild zeigt eine handgeschriebene Ziffer zwischen 0 und 9. Die MNIST-Bilder sind der allgemein gebräuchliche Standarddatensatz für Deep Learning – Netze über den die verschiedenen Algorithmen einigermaßen objektiv miteinander verglichen werden können.

Farhi und Neven konnten ihr neuronales Quanten-Netz erfolgreich mit den MNIST-Bildern trainieren. Auf einem Quantensimulator mit gerade mal 17 Qubits! Das ist ein Achtungserfolg und ein erster vielversprechender Anfang. Quantencomputer verdoppeln im Prinzip mit jedem weiteren Qubit ihr Potential. Deshalb besteht die Erwartung, dass jeder neue Quantencomputer auch bei den neuronalen Quanten-Netze deutlich meßbare Verbesserungen erzielen kann.

Das Beispiel zeigt aber auch, wie weit der Weg noch ist, bis die Forschung konkurrenzfähige neuronale Quanten-Netzwerke, geschweige denn real überlegene neuronale Quanten-Netzen konstruiert hat. Einen möglichen Weg zeigen Farhi und Neven auch auf: Hybride Quanten-klassische neuronale Netze. Eine Kombination von klassischen Deep Learning – Netzwerken mit neuronalen Quanten-Netzen. Erstere bereiten die Eingabedaten in handlichere Formen auf. Letztere sollten in der Lage, diese reduzierten und speziell präparierten Daten auch mit wenigen Qubits weiter zuverarbeiten und das Gesamtnetzwerk mit den gewünschten Quanten-Effekten zu „würzen“.

Fußnoten

ii https://arxiv.org/abs/1603.08675: „Quantum Recommendation Systems“, wissenschaftliche Arbeit von Iordanis Kerenidis und Anupam Prakash

iii https://arxiv.org/abs/1409.3097: „An introduction to quantum machine learning“, wissenschaftlicher Artikel von Maria Schuld et al

v https://arxiv.org/abs/1307.0401: „Quantum principal component analysis“, wissenschaftlicher Artikel von Seth Lloyd, Masoud Mohseni und Patrick Rebentrost

vi https://arxiv.org/abs/1802.08227: „Quantum linear systems algorithms: a primer“. Ein Einführungsartikel von des HHL-Algorithmus Danial Dervovic et al. inkl. Erläuterungen zu den Grundlagen auf denen er aufbaut.

vii https://arxiv.org/abs/0708.1879: „Quantum random access memory“, wissenschaftliche Arbeit von Giovannetti, Lloyd und Maccone

viii https://scottaaronson.com/papers/qml.pdf: „Quantum Machine Learning Algorithms: Read the Fine Print“, Artikel von Scott Aaronson

x https://arxiv.org/abs/1807.04271: „A quantum-inspired classical algorithm for recommendation systems“, https://arxiv.org/abs/1811.00414: „Quantum-inspired classical algorithms for principal component analysis and supervised clustering“ oder https://arxiv.org/abs/1811.04909: „Quantum-inspired sublinear classical algorithms for solving low-rank linear systems“ von Ewin Tang et al.

xi https://www.youtube.com/watch?v=P2Bucnq_ap0: In dem Video „TCS+ talk: Ewin Tang“ erläutert Ewin Tang ihren Algorithmus. Insbesondere stellt sie die Vermutung auf, dass man keine exponentielle Beschleunigung für niedrigdimensionale Datenzeiger erwarten darf. Das soll heißen: Rohdaten, die nur an vergleichsweise wenigen Stellen von Null verschieden sind.

xii https://ewintang.com/blog/2019/01/28/an-overview-of-quantum-inspired-sampling/: Ein sehr hilfreicher Übersichtsartikel von Ewin Tang in ihrem Blog über ihre Veröffentlichungen.

xiii https://arxiv.org/abs/1801.00862: „Quantum Computing in the NISQ era and beyond“, Vortragvorlage von John Preskill zur Konferenz „Quantum Computing For Business“ in 2017.

xiv http://neuralnetworksanddeeplearning.com/: Das Online-Buch von Michael Nielsen ist eine wunderbare Einführung für das Deep Learning. Interessanterweise ist Michael Nielsen außerdem der Co-Author des Standard-Lehrbuches für Quantencomputer „Quantum Computation and Quantum Information“. Man könnte meinen, dass er für den Forschungszweig Quantencomputer und Machine Learning prädistiniert ist. Aber anscheinend widmet sich Nielsen mittlerweile ganz anderen Themen, die weder mit dem einem noch mit dem anderen zu tun haben.

xv https://www.quantamagazine.org/new-theory-cracks-open-the-black-box-of-deep-learning-20170921/: „New Theory Cracks Open the Black Box of Deep Learning“, Artikel auf Quantamagazine

xvi https://arxiv.org/abs/1802.06002 : „Classification with quantum neural networks on near term processors“ wissenschaftlicher Artikel von Edward Farhi und Hartmut Neven.

Kann man Quantencomputer kaufen?

Wie muss man sich einen Quantencomputer vorstellen?

Quantencomputer tauchen regelmäßig in den Medien auf. Inzwischen ist allgemein bekannt, dass sie ein sehr spannendes Thema sind aber dass die Entwicklung von Quantencomputern noch am Anfang steht.

Ich stoße immer wieder auf die Frage, ob man Quantencomputer schon kaufen kann. Die Antwort darauf lautet: Kleines „Ja“ und großes „Aber“.

Zunächst einmal muss man sich klar machen: Ein Quantencomputer hat nur wenig bis nichts mit einem herkömmlichen Computer gemein. Was ich damit genau meine, erfahren Sie am besten in meinem Artikel „Quantencomputer einfach erklärt“.

Erste Quantencomputer existieren bereits heute schon. Deren Quanten-Prozessoren müssen bis fast zum absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden (dieser liegt bei -273°C). Erst dann werden dessen LC-Schaltkreise supraleitend und somit zu Quanten-Bits (Qubits): Den elementaren Bausteinen der Quantencomputer. Um diesen Temperaturpunkt zu erreichen sind große Kühlaggregate notwendig. Ein Quantencomputer ist deshalb ein großer Aufbau, der bestenfalls in einen großen Schrank passt.

Also nichts für den Schreibtisch.

Wofür sollte man einen Quantencomputer kaufen?

Als Nächstes sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Quantencomputer voraussichtlich nur für ganz bestimmte Anwendungen eingesetzt werden, die sehr wichtig aber besonders rechenintensiv sind. Inbesondere für folgende Aufgabengebiete

  • für Simulationen für Physik, Quantenchemie, -biologie und Materialforschung
  • für Optimierungsaufgaben
  • für Künstliche Intelligenz und Machine Learning
  • für Lineare Algebra

Mehr darüber erfahren Sie in meinem Artikel „Anwendungen für Quantencomputer“.

Aktuell befindet sich die ganze Branche in einer „Proof-Of-Concept“-Phase. Aktuell verfügbare Quantencomputer funktionieren und können erfolgreich betrieben werden. Derzeit ist der konkrete Nutzen allerdings noch nicht vorhanden. Auf dem Papier wurden superschnelle und sehr vielversprechende Algorithmen für Quantencomputer konstruiert. Diese sind für die aktuellen Minimal-Quantencomputer allerdings zu umfangreich.

Erst in den letzten Jahren hat die Forschung damit begonnen, an Algorithmen zu arbeiten, die für die aktuelle Hardware optimiert sind. Diese müssen sich aber erst noch bewähren.

Eine Investition in Quantencomputer wird sich also eher erst mittelfristig, vielleicht sogar erst langfristig und ganz vielleicht sogar gar nicht auszahlen.

Welche Quantencomputer-Angebote kann man kaufen?

Falls Sie meinen Artikel „Welche Quantencomputer gibt es jetzt schon?“ gelesen haben, haben Sie bereits einen Eindruck davon bekommen, welche Quantencomputer-Hardware schon heute oder in Kürze angeboten wird. Darunter sind die Hersteller

  • D-Wave-Systems
  • IBM
  • Google
  • Rigetti-Computing
  • Alibaba

In meinem Artikel erkennen Sie auch einen klaren Trend:

Alle Hersteller setzen auf Cloudangebote: Dabei werden die Quantenprogramme per Internet an die Cloud-Quantencomputer zum Hersteller übermittelt. Dort werden sie quasi per Fernsteuerung ausgeführt und die Ergebnisse wieder zurück übermittelt. Diese Fernsteuerung kann von einem PC oder auch von einem firmeneigenen Server erfolgen. Den Zugang in die Quantencomputer-Cloud erhält man per Abo.

Die kanadische Firma D-Wave-Systems bietet die eigene Hardware auch als dedizierten Quantencomputer zum Kauf an: Also einen Quantenserver, der im eigenen Rechenzentrum betrieben werden kann, zu einem Listenpreis von vielen Millionen Dollar. Bislang haben allerdings nur wenige Kunden davon Gebrauch gemacht, darunter die NASA und Google.

Der Techriese IBM plant ein ähnliches Angebot für seine Quantencomputer.

Quantencomputer und Optimierung

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Die Optimierung ist ein breites Anwendungsfeld für Computer im Allgemeinen. Schon in den 1990er Jahren zeichnete sich ab, dass die Optimierung auch ein vielversprechendes Anwendungsgebiet für Quantencomputer sein könnten.

Optimierungsprobleme zeichnen sich formal so aus, dass eine „Kostenfunktion“ gegeben ist. Eine Lösung des Problems optimiert diese Kostenfunktion. Neben den exakten Lösungen sind auch Lösungsnäherungen von Interesse, die das Problem besser optimieren als eine Reihe anderer Kandidaten aber vielleicht nicht die beste Lösung sind.

Optimierungsprobleme sind für Quantencomputer auch deshalb von Interesse, weil viele Problemfamilien für Optimierung bekannt sind, die erwiesener Maßen nur mit viel Anfwand auf einem herkömmlichen Computer zu lösen sind.

Einstufung der Quanten-Algorithmen für Optimierung

Auch für die Optimierung stufe ich die Algorithmen nach Adam Boulands Beispiel in zwei Kriterien ein, die ich auch in anderen Artikeln auf quantencomputer-info.de verwende:

  1. Beschleunigung: Der Grad an Beschleunigung gegenüber herkömmlichen Computern (bzw. die Beschleunigung gegenüber den besten bekannten Algorithmen für herkömmliche Computer für dieselbe Anwendung)
  2. Verfügbarkeit: Der Zeitpunkt, wann dieser Algorithmus vermutlich verfügbar sein wird

Verfügbarkeit

Beschleunigung

Kurzfristig (NISQ)

Langfristig

Riesig

(exponentiell)

Moderat

(z.b. quadratisch)

Grover

Unbekannt

QAA

QAOA

 

Optimierung mit dem Grover-Algorithmus

Der Grover-Algorithmus ist ein Urgestein der Quantencomputer-Forschung. Für einen Quanten-Algorithmus ist er „einigermaßen verständlich“. Wegen seiner universellen Anwendungen habe ich ihm einen einen eigenen Beitrag auf quantencomputer-info.de gewidmet, unter anderem auch wegen der so grundlegenden Fragestellungen, ob ein Quantencomputer die schwierigen NP-Probleme effizient lösen kann.

Da auch Optimierungsprobleme dazugehören, können wir den Grover-Algorithmus hier ebenfalls auflisten. Er ist im Prinzip ein Suchalgeorithmus, der alle möglichen Lösungskandidaten durchprobieren kann.

Tatsächlich erzielt der Grover-Algorithmus nur eine moderate, quadratische Beschleunigung gegenüber herkömmlichen Suchalgorithmen. Ich erläutere in meinem Spezial-Artikel, dass vermutlich keine schnelleren Suchalgorithmen mit einem Quantencomputer möglich sind. Aus diesem Grund geht die Quantencomputer-Forschung davon aus, dass die schwierigen NP-Probleme mit einem Quantencomputer nicht generell effizient gelöst werden können.

Auf der anderen Seite können selbst quadratische Beschleunigung einen gewaltigen Vorteil bringen. Für herkömmliche Computer wurde in der Vergangenheit z.B. der Algorithmus „Schnelle Fourier-Transformation“ entwickelt. Er beschleunigt die „Normale Fourier-Transformation“ ebenfalls quadratisch. Was es damit auf sich hat, ist an dieser Stelle unwichtig. Was ich aber bemerkenswert finde, ist der Titel den die Schnelle Fourier-Transformation für diese moderate Beschleunigung bekommen hat: „The most important numerical algorithm of our lifetime“ i.

Wie fast alle Quanten-Algorithmen mit aktuell erwiesener Beschleunigung gegenüber herkömmlichen Computer, ist der Grover-Algorithmus vermutlich zu umfangreich für die NISQ-Quantencomputer der nächsten Generationen.

QAA: Optimierung und dem Quantum Adiabatic Algorithm

Der Quantum Adiabatic Algorithm basiert auf dem Adiabatischen Theorem der Quantenmechanik, das noch aus den Anfangszeiten der Quantenmechanik stammt ii. Das Theorem sagt Folgendes aus:

Wir präparieren ein Quantensystem derart, dass es die Quantenversion von einem Optimierungsproblem mit einer bekannten Lösung ist. Die Qubits sind so eingestellt, dass sie der bekannten Lösung in Bit-Darstellung entsprechen. Wenn wir das Quantensystem „adiabatisch“ also langsam ändern, entspricht es jetzt einem neuen Optimierungsproblem. Im Weiteren nenne ich diesen Verlauf den „adiabatischen Pfad“. Die Qubits werden sich dadurch ebenfalls ändern. Die Clou des Adiabatischen Theorems ist, dass die geänderten Qubits jetzt die Lösung des geänderten Problems darstellen iii! Sie müssen nur noch ausgemessen werden, um die Lösung in Bit-Darstellung zu erhalten.

Dabei ist es unerheblich, wie stark wir das Problem ändern. Es kommt lediglich darauf an, dass wir das System langsam ändern. Das Theorem sagt auch aus, wie langsam man das System ändern müsste. Und gerade das könnte sich in der Anwendung als Problem erweisen.

Der Quantum Adiabatic Algorithm ist untrennbar mit dem Quanten Annealer von D-Wave verbunden. D-Waves Annealer ist eine Hardware-Version des Quantum Adiabatic Algorithm. Er ist speziell auf diesen einen Algorithmus abgestimmt und funktioniert dort genauso wie ich es oben beschrieben habe. Andere bekannte Quanten-Algorithmen können allerdings nicht auf ihm ausgeführt werden.

Universelle Quantencomputer, wie die Quantencomputer von Google, IBM, Rigetti und Alibaba können andererseits prinzipiell sowohl den Quantum Adiabatic Algorithm als auch andere Algorithmen ausführen. Hier wird der Quantencomputer allerdings nicht wirklich zeitlich verändert. Stattdessen wird ein Quantenschaltkreis konstruiert, der diese zeitliche Veränderung simuliert. Und tatsächlich ist der Quantum Adiabatic Algorithm auf einem universellen Quantecomputer eine Anwendung der dynamischen Quantensimulation, also der Hamiltonischen Simulation (s.o.). Aus diesem Grund kann der Quantum Adiabatic Algorithm in absehbarer Zeit nur in abgewandelter Form auf einem NISQ-Quantencomputer ausgeführt werden. Diese abgewandelte Form ist gerader der QAOA, den ich weiter unten vorstellen werden.

Auf D-Waves Quanten Annealer kann der Quantum Adiabatic Algorithm allerdings schon heute ausgeführt werden. Wie erfolgreich gegenüber herkömmlichen Optimierungsmethoden dies dort möglich ist, muss erst die Anwendung zeigen.

D-Wave sieht die Anwendungen für den eigenen Quanten Annealer übrigens wesentlich vielfältiger. Tatsächlich gibt es diverse D-Wave-Kunden, die den Quantum Adiabatic Algorithm für andere Anwendungsfelder wie der Künstlichen Intelligenz, Simulation von Quantensystemen, … eingesetzt haben iv.

QAOA: Optimierung mit dem Quantum Approximate Optimization Algorithm

Im Jahr 2014 stellten Edward Farhi et al vom Massachusetts Institute of Technology / MIT einen neuen Algorithmus für Optimierung vor, der speziell für die Quantencomputer der NISQ-Arä abgestimmt ist v vi .

Die Funktionsweise des Quantum Approximate Optimization Algorithm / QAOA ist sehr ähnlich wie die des VQE, der zufälligerweise im selben Jahr vorgestellt wurde, und den ich Ihnen oben beschrieben habe. Der QAOA ist ebenfalls ein Quanten-klassischer Hybrid-Algorithmus:

  1. Die Qubits werden so eingestellt, dass sie einen Kandidaten für die Lösung des Optimierungsproblems darstellen.
  2. Mit diesem Kandidaten ermittelt der Quantencomputer die Kostenfunktion des Problems. Mit einem Quantencomputer sollte dies effizient durchführbar sein. Da diese Messung immer auch eine Sache von Wahrscheinlichkeiten ist, wird sie mehrmals durchgeführt und der beste Wert verwendet.
  3. Über einen herkömmlichen Computer wird ein neuer Kandidat für die Lösung des Problems anhand des bisherigen Optimierungsverlaufs berechnet.

Farhi et al geben darüber hinaus genaue Strategien vor, wie die Kandidaten für die Lösung zu finden sind. Und darin ähnelt der Quantum Approximate Optimization Algorithm / QAOA wiederum dem Quantum Adiabatic Algorithm vii: Die Kandidaten für die Lösung werden derart mit Quantengattern manipuliert, dass sie am Ende nichts anderes sind als eine Stückelung des adiabatischen Pfades für das Problem mit einem universellen Quantencomputer. Wie wir weiter oben gesehen haben, garantiert der Quantum Adiabatic Algorithm, dass dieses Verfahren immer zu der Lösung des Problems führt, falls wir die Stückelung nur extrem detailliert wählen.

Farhi argumentiert nun wie folgt: Selbst wenn wir die Stückelung nur sehr grob wählen, können wir versuchen sie über klassische Methoden zu optimieren. Dafür müssen wir nur prüfen, ob die optimierte Stückelung bessere Kostenwerte im Quantencomputer liefert als die vorherige. So gelangen wir vielleicht nicht zu der besten Optimierung aber zumindest zu einer besseren Lösung. Deshalb nennt Farhi den Quanten-Algorithmus auch „approximate algorithm“. Ein weiterer Vorteil von Farhis Methode ist, dass diese Lösungskandidaten vermutlich effizient auf einem NISQ-Quantencomputer erzeugt werden können.

Ob der QAOA eine Beschleunigung gegenüber herkömmlichen Computern erzielt, ist derzeit noch nicht erwiesen. Allerdings stellte Edward Farhi direkt mit der ersten Veröffentlichung eine bestimmte Klasse von kombinatorischen Optimierungsproblemen vor, die sich mit seinem Algorithmus effizienter lösen lassen als durch den besten Algorithmus für herkömmliche Computer. Mit diesem Ergebnis erzielte er große Aufmerksamkeit viii. Eine Gruppe namhafter Informatiker nahm darauhin Farhis Ideen als Vorlage und entwickelten einen neueren noch schnelleren klassischen Algorithmus für diese Problem-Klasse.

Nichts destotrotz werden große Hoffnungen in den QAOA gesetzt. Die Anwendungen für den QAOA werden weiterhin ausgiebig untersucht ix. Auf dem Portal arxiv.org für Vorveröffentlichungen zähle ich zwischen Dezember 2018 und Juli 2019 23 Fachartikel zum Thema QAOA.Tendenz steigend.

Fußnoten

iii Tatsächlich erfordert das Adiabatische Theorem zusätzlich, dass es eine „Energielücke“ zwischen dem ursprünglichen Problem und dem finalen Problem gibt. Das werde ich hier allerdings nicht weiter ausführen. U.a. steuert diese Energielücke die Zeitspanne, die man für den Quantum Adiabatic Algorithm einplanen muss.

iv https://www.youtube.com/watch?v=UywYeMl30EM: Vortrag von Bo Ewald, President von D-Wave, auf der Konferenz „Quantum For Business 2018“, über die vielfältigen Projekte von D-Waves Kunden.

v https://arxiv.org/abs/1411.4028: „A Quantum Approximate Optimization Algorithm“, Fachartikel von Edward Farhi, Jeffrey Goldstone und Sam Gutman

vi https://www.youtube.com/watch?v=J8y0VhnISi8: „A Quantum Approximate Optimization Algorithm“, Vortrag von Edward Farhi zum Fachartikel

vii Dasselbe Autorenteam (Edward Farhi, Jeffrey Goldstone und Sam Gutman) war übrigens knapp 15 Jahre vorher maßgeblich daran beteiligt, dass der Quantum Adiabatic Algorithm und dadurch auch das Konzept des Quanten Annealers eine größere Aufmerksamkeit in der Forschergemeinde bekam. z.B. https://arxiv.org/abs/quant-ph/0104129: „A Quantum Adiabatic Evolution Algorithm Applied to Random Instances of an NP-Complete Problem“ zusammen mit weiteren Autoren.

viii https://www.scottaaronson.com/blog/?p=2155: „Quantum computing news items“ Blogeintrag von Scott Aaronson über den QAOA, der so viel Aufmerksamkeit unter Informatikern erregte, dass diese einen neuen effizienteren, klassischen Algorithmus entwarfen.

ix https://www.cs.umd.edu/class/fall2018/cmsc657/projects/group_16.pdf: Eine schöne Übersicht finden Sie im Artikel „An Introduction to Quantum Optimization Approximation Algorithm“ von Wang und Tauqir

Der Grover-Algorithmus und die Suche nach dem heiligen Gral

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Der Quantenparallelismus öffnet den Quantencomputern Türen zu völlig neuen Rechenwegen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie dadurch Grenzen der Berechenbarkeit für herkömmliche Computer spielend überflügeln können. Im Folgenden stelle ich Ihnen den berühmten Grover-Algorithmus für Quantencomputer im Detail vor. Er ist in der Lage sämtliche „Nadel im Heuhaufen“-Probleme drastisch schneller zu lösen, als ein herkömmlicher Computer. Dabei gehe ich auch kurz auf die Komplexitätstheorie ein, einem faszinierenden Teilgebiet der Informatik, und zeige Ihnen inwiefern selbst der Grover-Algorithmus an seine Komplexitätsgrenzen stößt.

Der Quantenparallelismus

Quantencomputer ermöglichen eine völlig neue Form des parallelen Rechnens: Dem Quantenparallelismus. Dadurch ist ein Quantencomputer in der Lage dasselbe Quantenprogramm für eine Vielzahl von Werten gleichzeitig durchzuführen, prinzipiell sogar für alle Werte die der Computer überhaupt darstellen kann. Dem Quantenparallelismus liegt ein Grundprinzip der Quantenmechanik zu Grunde: Dem sogenannten „Superpositionsprinzip“. D.h. jeder Quantencomputer besitzt den Quantenparallelismus automatisch von Grund auf.

Auf den ersten Blick besitzt der Quantenparallelismus ein unglaubliches Potential. Und seit den allerersten Anfängen der Quantencomputer fragen sich Wissenschaftler, ob sie damit sogar in der Lage sind den heiligen Gral der Computerwissenschaften zu finden: Einen einfachen Weg, um alle überhaupt möglichen „NP-Probleme“ zu lösen.

Die NP-Probleme der Informatik

In den 1960er Jahren fingen Computerwissenschaftler an Probleme in verschiedene Klassen zu unterteilen, je nachdem wie aufwendig sie zu lösen sind. Die Komplexitätsklasse $ P $ enthält grob gesprochen alle Probleme, die sich mithilfe eines herkömmlichen Computers relativ einfach lösen lassen. Genauer gesagt: mit „polynomialem Rechenaufwand“ i. Demgegenüber steht z.B. die Komplexitätsklasse $ NP $. Diese enthält alle Probleme, die sich zwar nicht einfach lösen lassen, deren Lösung man aber mithilfe eines herkömmlichen Computers einfach überprüfen kann, und zwar wieder mit polynomialem Aufwand. Jetzt sind gerade viele bedeutende Probleme der Informatik und Mathematik NP-Probleme. Ein Beispiel für ein NP-Problem ist etwa die bereits erwähnte Zerlegung in Primfaktoren: Wenn man einmal die gesuchten Primfaktoren $ p $ und $ q $ einer Zahl $ n $ gefunden hat, ist die Überprüfung der Lösung kinderleicht, nämlich gerade $ p*q = n $.

Wenn man es genau nimmt, hat die Unterteilung von Problemen in verschiedene Klassen fast schon philosophische Bedeutung: Durch sie konnte die Wissenschaft erstmals auf formale Weise ermitteln, welche Probleme einfach und welche besonders schwierig sind. Die verschiedenen Klassen geben dabei abgestufte Schwierigkeitsgrade an und zeigen Zusammenhänge auf.

Die Komplexitätstheorie ist ein sehr breites Teilgebiet der Informatik. Und in ihrem Zentrum steht eine alles überstrahlende Frage: Ist $ P = NP $ ? D.h. lassen sich diese schwierigen Probleme am Ende nicht doch einfach lösen? ii

Diese Frage ist so etwas wie der „Heilige Gral“ der Computerwissenschaften. Sie wurde u.a. im Jahr 2000 in die exklusive Liste der sieben Millennium-Probleme von offenen Rätseln in der Mathematik aufgenommen, deren Klärung eine enorme Tragweite hätte (nebenbei ist jedes Millenium-Problem mit einem Preisgeld von einer Millionen Euro dotiert). Falls $ P = NP $ wahr wäre, könnten wir beispielsweise mathematische Intuition mit einem Computer automatisieren iii. Diverse andere offene Probleme der Mathematik könnten so z.B. ebenfalls gelöst werden. Für die Wissenschaft als Ganzes hätte dies vermutlich monumentale Auswirkungen.

Allerdings gehen die meisten Experten davon aus, dass $ P = NP $ leider nicht wahr ist und dass sich die NP-Probleme nicht einfach mit einem herkömmlichen Computer lösen lassen.

Aber jetzt kommen die Quantencomputer ins Spiel. Für diese haben die Komplexitätstheoretiker eine neue Klasse von Problemen eingeführt: $ BQP $. Dies sind grob gesprochen wieder alle Probleme, die sich einfach mit einem Quantencomputer lösen lassen. Die Frage ist jetzt: Wenn schon nicht $ P = NP $ ist, ist dann wenigstens $ NP $ in $ BQP $ enthalten? Sind die NP-Probleme also leicht mit einem Quantencomputer zu lösen?

Der Quantencomputer: Die ultimative Brute Force – Lösung ?

Wie verhält es sich also mit den Quantencomputern und den NP-Problemen? Auf den ersten Blick scheint der Quantenparallelismus hierfür zu schön um wahr zu sein. Warum?

Die NP-Probleme sind ja gerade die Probleme, deren Lösung man einfach überprüfen kann. Und mit einem Quantencomputer können wir uns alle möglichen Lösungskandidaten prinzipiell gleichzeitig vornehmen und testen, ob sie das Problem lösen. Violà, wir haben einen ultimativen NP-Cruncher bzw. den ultimativen „Brute Force“ – Algorithmus gefunden, also einen Algorithmus der „brachial“ einfach alle möglichen Kombinationen ausprobiert.

Leider ist das nur auf den ersten Blick so einfach.

Tatsächlich vermuten die Komplexitätstheoretiker eher folgende Zusammenhänge zwischen den Klassen $ P $, $ NP $ und $ BQP $.

(Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/File:BQP_complexity_class_diagram.svg)

Das Diagramm zeigt den Zusammenhang der Komplexitätklassen, den die meisten Wissenschaftler vermuten iv. Der vollständigkeithalber sei erwähnt: „PSPACE“ sind die Probleme, für die der Speicherbedarf des Lösungsprogramms polynomial ansteigt, deren Laufzeit aber beliebig lang sein darf und evtl. nie endet. „NP complete“ sind die NP-Probleme, die repräsentativ für alle anderen NP-Probleme sind: Wenn man davon nur eines einfach lösen könnte, kann man alle anderen NP-Probleme auch einfach lösen, und entsprechend hätte man P = NP bewiesen.

Die Suche nach einem NP-Cruncher demonstriert sehr schön wie vielschichtig das Thema Quantencomputer ist und dass selbst die erstaunlichen Quantencomputer ihre Grenzen haben. Ich habe es deshalb ausgewählt, weil man an ihm die vielen Facetten der Quanten-Algorithmen ideal für Einsteiger verdeutlichen kann.

Der Grover-Algorithmus

Der Grover-Algorithmus wurde 1996 von dem indischen Informatiker Lov Grover gefunden. Er ist einer der Standard-Beispiele, die man als erstes lernt, wenn man sich näher mit Quanten-Algorithmen beschäftigt. Unter anderen auch, weil er so vielfältig einsetzbar ist. Normalerweise bekommt man erklärt, dass der Grover-Algorithmus für das komplette Durchsuchen einer Datenbank mittels eines sogenannten „Orakels“ verwendet wird, anders ausgedrückt: Um die Nadel im Heuhaufen zu finden. Dahinter verbirgt sich aber gerade auch die NP-Problematik: Zum einen haben wir eine riesige Menge an Lösungskandidaten, die unsere „Datenbank“ ist. Zum anderen haben wir eine einfache Prüfroutine, nämlich das „Orakel“, mit der wir feststellen können, ob ein Lösungskandidat tatsächlich eine Lösung ist v.

Wir wissen, dass ein Quantencomputer in der Lage ist alle Lösungskandidaten gleichzeitig durch die Prüfroutine durchzujagen. Die echten Lösungen werden dabei von der Routine erkannt. Die vertrackte Frage ist nun: Was bringt uns das eigentlich? Am Ende müssen wir ein Ergebnis messen, und wir erinnern uns, dass das bei Quantencomputern immer eine Sache der Wahrscheinlichkeit ist. Und dabei stören jetzt die falschen Lösungskandidaten wieder und verringern die Wahrscheinlichkeit die echte Lösung zu messen. Wir müssen es also irgendwie hinbekommen, dass der Quanten-Algorithmus die falschen Lösungskandidaten in den Qubit-Speicherregistern weitestgehend unterdrückt und am Ende die echte Lösung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gemessen wird. In dem wir die Prozedur dann mehrmals wiederholen wird aus der Wahrscheinlichkeit dann immer mehr Gewissheit.

Und das ist gerade die Herausforderung an den Quanten-Algorithmen: Die gewünschte Lösung muss zu einer globalen Eigenschaft der Qubit-Register werden. Als Hilfsmittel hat man dafür die Quantengatter, deren Arbeitsweise zwar genau bekannt ist, die aber leider alles andere als intuitiv und einfach sind.

Ein Qubit und einfache Quantengatter

Um die Quantencomputer im Allgemeinen und den Grover-Algorithmus im Besonderen einem breiteren Publikum näher zu bringen, verwende ich auf „quantencomputer-info.de“ eine vereinfachte Sichtweise auf die Qubits und die Quantengatter. In meinem Artikel Das Qubit und ein Magier bei „Britain Has Got Talent“ hatte ich schon die Zeigerbilder eingeführt mit denen wir uns die verschiedenen Zustände eines Qubits vorstellen können. Das Qubit ist dann ein Zeiger auf der Kreislinie in diesem Bild.

(„Disclaimer“: Falls Sie diesen Artikel zur Vorbereitung für eine Prüfung verwenden sollten, beachten Sie bitte, dass die Lehrbuch-Darstellung eines Qubits die „Blochkugel“ ist vi. Um den Grover-Algorithmus richtig zu verstehen, reicht meine einfache Sichtweise aber erstaunlicherweise aus).

Folgendes Zeigerbild zeigt ein Qubit, dass gleichzeitig im Zustand |0und im Zustand |1⟩ ist.

Das Besondere an diesem Bild ist außerdem, dass die Zustände |0und |1⟩ gleichmäßig überlagert sind. Es ist zu gleichen Teilen sowohl |0als auch |1⟩. Ein Qubit im Zustand |0gelangt in diesen Zustand der gleichmäßigen Überlagerung, indem es in dem einfachen Zeigerbild um 45° gedreht wird. Diese Drehung wird durch das Hadamard-Quantengatter H durchgeführt.

|qubit= H |0

Ein anderes Gatter ist das X – Quantengatter. Es spiegelt das aktuelle Qubit an der Winkelhalbierenden, also gerade am Zustand H |0⟩. Oder anders betrachtet: Das X-Gatter tauscht den Zustand |0und den Zustand |1gegeneinander aus.

X |0= |1und X |1= |0

Geometrische Anschauung für den Grover-Algorithmus

Das Schöne am Grover-Algorithmus ist auch, dass man ihn an einem einfachen geometrischen Zeigerbild erklären kann.

Wenn wir uns dafür ein ganzes Register mit N Qubits anschauen, so verhalten sich die Zustände in diesem Register auch wieder wie ein einziger Zeiger. Der Zeiger dreht sich allerdings nicht mehr in einer 2 dimensionalen Ebene, sondern in einem $ 2^N $ dimensionalem Raum! Jede Achse in diesem Raum entspricht einer anderen Kombination von 0en und 1en in dem Qubitregister: Eine Achse entspricht zum Beispiel der Kombination 10001101100, eine andere Achse entspricht der Kombination 00001101100, wieder eine andere Achse entspricht einer ganz anderen Kombination 11011010111 und so weiter. Zum Glück können wir diesen $ 2^N $ dimensionalen Raum für den Grover-Algorithmus wieder auf eine 2 dimensionale Ebene vereinfachen.

Dazu konstruieren wir drei Zeiger, die auf einer Kreislinie in einer Ebene liegen. Der erste Zeiger ist einfach: Nehmen wir mal an die erste Kombination 10001101100 löst das NP-Problem. Das wissen wir am Anfang natürlich noch nicht, wir könnten die Kombination auch „Lösung“ nennen. Die zugehörige Achse wird jetzt unsere Y-Achse.

Der zweite Zeiger zeigt in die Richtung der „gleichmäßigen Überlagerung“. Das ist gerade der Zeiger, der entsteht, wenn auf alle Qubits jeweils ein Hadamard-Quantengatter angewendet wird. Für ein Qubit hatten wir gerade gesehen, dass ein Hadamard-Quantengatter den Qubit-Zeiger so dreht, dass beide Zustände $ \rvert 0 \rangle $ und $ \rvert 1 \rangle $ gleichmäßig überlagert werden und gleichzeitig vorhanden sind. Wenn wir jeweils ein Hadamard-Gatter auf jedes Qubit anwenden bedeutet das, dass alle möglichen Zustände des ganzen Quantencomputers gleichmäßig überlagert sind. Das ist also genau die Situation, die wir für unseren Brute-Force-Plan benötigen: Wir haben alle möglichen Kombinationen von 0en und 1en, und somit die gesamte Menge an Lösungskandidaten, gleichzeitig im Zugriff.Nennen wir diesen Zeiger der gleichmäßigen Überlagerung $ \rvert S \rangle $.

Alle Achsen in dem $ 2^N $ dimensionalem Raum, und somit alle Kombinationen von 0en und 1en, haben den gleichen kleinen Anteil an $ \rvert S \rangle $. Da $ \rvert S \rangle $, wie jeder Zeiger auf der Kugeloberfläche in dem $ 2^N $ dimensionalen Raum, die Länge 1 hat, ist der Anteil von jedem Qubit-Zustand an $ \rvert S \rangle $ nur ein kleiner Bruchteil von 1. Zunächst würde man vermuten dieser Bruchteil wäre $ 1/2^N $, da es $ 2^N $ Kombinationen gibt. Dies ist aber nicht so: Aufgrund des Satzes von Pythagoras vii ist der kleine Bruchteil die Wurzel davon, und zwar $ 1/ \sqrt{2^N} $. Und somit zeigt der Zeiger der gleichmäßigen Überlagerung zu diesem kleinen Bruchteil auch in Richtung unseres Lösungszeigers $ \rvert 10001101100 \rangle $. Insbesondere wird dieser Bruchteil also schnell kleiner je größer N wird. Das Wurzelzeichen wird sich später übrigens als der Clou für den Grover-Algorithmus herausstellen!

Jetzt zum dritten Zeiger, den wir $ \rvert s \rangle $ nennen wollen: Der entsteht, wenn wir aus der gleichmäßigen Überlagerung $ \rvert S \rangle $ den kleinen $ \rvert 10001101100 \rangle $ – Anteil herausrechnen. $ \rvert s \rangle $ zeigt damit genau in X-Richtung. $ \rvert S \rangle $ und $ \rvert s \rangle $ liegen also nah beieinander. Der Winkel der sie trennt ist gerade $ 1/ \sqrt{2^N} $ viii. Das der Winkel zwischen $ \rvert S \rangle $ und $ \rvert s \rangle $ so klein ist, wird uns am Ende noch mächtig ärgern!

Wenn wir uns das Diagramm ansehen können wir erkennen, was der Grover-Algorithmus leisten muss:

Wir nennen den aktuellen Zustand des Quantencomputers einfach $ \rvert x \rangle $. Er wird normalerweise eine Überlagerung von verschiedenen anderen Zuständen sein. Am Anfang starten wir mit dem Zustand der gleichmäßigen Überlagerung, also $ \rvert x \rangle = \rvert S \rangle $. Wir müssen jetzt eine Reihe von Quantengattern derart zusammenschalten, dass $ \rvert x \rangle $ nach und nach in die Richtung unserer Lösung $ \rvert 10001101100 \rangle $ zur Y-Achse gedreht wird.

Im Folgenden erfahren Sie zunächst, was es mit dem Zeiger $ \rvert s \rangle $ auf sich hat.

Das Orakel: Eine einfache Spiegelung

Schauen wir uns an wie ein Quantengatter den Zustand der gleichmäßigen Überlagerung verändert. Dank des Superpositionsprinzip wissen wir: Ein Quantengatter verändert eine Überlagerung von Zuständen derart, dass wir danach eine Überlagerung von veränderten Zuständen haben: z.B.

$ X ( \rvert 0 \rangle – \rvert 1 \rangle ) = X \rvert 0 \rangle – X \rvert 1 \rangle = \rvert 1 \rangle – \rvert 0 \rangle $

Das gleiche gilt natürlich immer noch, wenn wir mehrere Quantengatter miteinander kombinieren. Das Orakel ist insbesondere auch einfach eine Zusammenschaltung von mehreren Quantengattern. Nennen wir es O.

O soll wie folgt die verschiedenen überlagerten Teilzustände verändern:

  • Wenn eine Kombination von 0en und 1en keine Lösung des Problems ist, wir erinnern uns, dass wir dies für NP-Probleme leicht herausfinden können, bleibt dieser Anteil an der gesamten Überlagerung unverändert. Als Gleichung geschrieben:$ O \rvert 10101010101 \rangle = \rvert 10101010101 \rangle $
  • Wenn eine Kombination von 0en und 1en eine Lösung ist, wird dieser Anteil an der gesamten Überlagerung ins Negative umgekehrt. Als Gleichung geschrieben:$ O \rvert 10001101100 \rangle = – \rvert 10001101100 \rangle $

Wenn wir uns das Zeigerbild ansehen, können wir jetzt Folgendes erkennen:

$ O $ verändert fast alle Anteile an dem Anfangszustand $ \rvert S \rangle $ nicht. Nur der Anteil in die Y-Richtung wird umgekehrt. Das ist aber nichts anderes als eine Spiegelung an der X-Achse, die ja der Zustand $ \rvert s \rangle $ ist.

Zunächst haben wir dadurch nichts gewonnen, weil der Zeiger $ \rvert x \rangle $ sich noch nicht näher an $ \rvert 10001101100 \rangle $, unserer Y-Achse angenähert hat. Deshalb spiegeln wir $ \rvert x \rangle $ nochmal. Diesmal allerdings nicht an $ \rvert s \rangle $, sondern an $ \rvert S \rangle $!

Der aktuelle Zustand des Quantencomputers $ \rvert x \rangle $ ist um einen Winkel näher an die Y-Achse gedreht. Dieser zusätzliche Winkel ist das zweifache von dem kleinen Winkel zwischen $ \rvert S \rangle $ und $ \rvert s \rangle $, also $ 2 / \sqrt{2^N} $.

Zwischenfazit: Die Stärken und Schwächen des Grover-Algorithmus

Jetzt können wir erkennen, wie es weitergehen muss: Jedes mal wenn wir den aktuellen Zeiger $ \rvert x \rangle $ zuerst an $ \rvert s \rangle $ spiegeln und danach an $ \rvert S \rangle $, dreht sich $ \rvert x \rangle $ um den Winkel $ 2/ \sqrt{2^N} $ näher an $ \rvert 10001101100 \rangle $ heran.

Weil der Winkel leider so klein ist, müssen wir das Ganze ungefährt $ \frac{1}{2} * \sqrt{2^N} $ Mal durchführen.

Damit haben wir tatsächlich schon das Prinzip des Grover-Algorithmus gelöst und damit auch die Antwort auf unsere Brute Force / NP-Cruncher-Frage herausbekommen!

Ein herkömmlicher Computer würde im Schnitt $ \frac{1}{2} * 2^N $ Versuche brauchen, um $ 2^N $ Kombinationen durchzuprobieren und eine Lösung zu erhalten. Ein Quantencomputer braucht mit dem Grover-Algorithmus $ \frac{1}{2} * \sqrt{2^N} $ Versuche. Das ist eine quadratische Beschleunigung!

Wenn also ein herkömmlicher Computer für ein Brute-Force-Problem eine Millionen Rechenschritte benötigen würde, bräuchte ein Quantencomputer nur 1000 Rechenschritte. Das ist schon sehr gut!

Aber leider hatten wir uns mehr davon versprochen: Was stört, ist dass wir immer noch $ \sqrt{2^N}= 2^{\frac{1}{2}N} $ Rechenschritte benötigen. Das ist immer noch mehr als polynomial. Polynomialer Rechenaufwand wäre $ N^{\text{etwas}} $. Damit ist das Problem kein BQP-Problem und ein schwieriges NP-Problem bleibt also auch ein schwieriges Problem für den Grover-Algorithmus, obwohl letzterer es zumindest schneller lösen kann.

Die große Frage ist nun: Ginge das auch besser?

Was so sehr stört ist, dass der Winkel zwischen $ \rvert S \rangle $ und $ \rvert s \rangle $ so klein ist. Dies ist so etwas wie die Quantenversion der Tatsache, dass die gesuchte Kombination 10001101100 eine unter sehr sehr vielen Kombinationen ist. Vielleicht können wir den Grover-Algorithmus z.B. derart ändern, dass wir bei jeder Reflexion an $ \rvert s \rangle $ näher an $ \rvert 10001101100 \rangle $ herankommen.

Tatsächlich wurde eine Grenze für ein Optimum an Verbesserung für den Grover-Algorithmus gefunden. Jeder Algorithmus, der das Orakel $ O $ mehrmals verwendet sieht prinzipiell so aus:

$ … O … O … O … O … $

Die Pünktchen stehen jeweils für irgendeine Schaltung an Quantengattern. Es ist erstaunlich aber man kann tatsächlich prinzipiell beweisen, dass jeder Einsatz eines Orakels in dieser Form den Rest des Quanten-Algorithmus, also die Pünktchen, höchstens quadratisch beschleunigen kann ix. Das zeigt, dass der Grover-Algorithmus tatsächlich optimal ist. Leider.

Natürlich gibt es viele Quanten-Algorithmen, die die besten herkömmlichen Algorithmen exponentiell beschleunigen, wie z.B. der Shor-Algorithmus. Evtl. gibt es sogar doch noch einen ultimativen NP-Cruncher, der auf Quantencomputern mit Polynomialaufwand läuft. Aber die Idee, diesen NP-Cruncher dadurch zu konstruieren, indem man ein Orakel mehrmals hintereinander ausführt, führt leider nicht zum gewünschtem Ziel.

Der Grover-Algorithmus als Quanten-Schaltkreis

Achtung, jetzt wird es ernst!

Bisher hatte ich den Grover-Algorithmus anhand der geometrischen Anschauung erklärt. Jetzt schauen wir uns den Quanten-Schaltkreis für den Grover-Algorithmus auf einem 2 Qubit – Quantencomputer an:

(In meinem Artikel „Quantencomputer programmieren“ stelle ich Ihnen dazu ein konkretes Quantenprogramm für IBMs Quantencomputer vor).

Am Anfang auf der linken Seite ist jedes Qubit im Zustand $ \rvert 0 \rangle $ vorhanden. Anders ausgedrückt: $ \rvert 00 \rangle $. Darauf erzeugen wir den Zustand der gleichmäßigen Überlagerung $ \rvert S \rangle $, in dem wir auf jedes Qubit das Hadamard-Quantengatter anwenden. Die beiden Qubits bilden jetzt eine Überlagerung aus allen möglichen Kombinationen von 0en und 1en.

Danach führen wir das Orakel aus. Das Orakel muss für jedes Problem individuell konstruiert werden, weil die Prüfroutine für Lösungskandidaten natürlich jeweils anders aussieht. Beispiele hierfür gebe ich weiter unten.

Im Gegensatz dazu sieht die Spiegelung an $ \rvert S \rangle $ für jedes Problem gleich aus. Zum Glück kann man sie einfach aus der Spiegelung an der $ \rvert 00 \rangle $ – Achse ableiten.

Letztere ist im inneren Kasten dargestellt:

Zunächst zum Quantengatter ganz in der Mitte. Dieses heißt „Controlled NOT“ bzw. CNOT. Das CNOT-Quantengatter ist so etwas wie eine „Wenn-Dann / If-Then“-Schaltung für Quantencomputer. Es arbeitet so: Falls das obere Qubit

  • den Zustand |0⟩ hat, lässt es das untere Qubit unverändert
  • den Zustand |1⟩ hat, tauscht es die Zustände |0⟩ und |1⟩ um unteren Qubit, führt also ein X – Quantengatter auf das untere Qubit aus.

Das obere Qubit „kontrolliert“ also den X-Tausch im unteren Qubit, deshalb der Name. Normalerweise sind beide Qubits überlagert. In dem Fall tauscht das obere Qubit den überlagerten Zustand des unteren Qubit „ein bißchen und ein bißchen nicht“. Dadurch entsteht so ein berühmt-berüchtigter verschränkter Quantenzustand: Die beiden Qubits sind jetzt so tiefgreifend miteinander verwoben, dass man sie nicht mehr als einzelne Einheiten betrachten kann, sondern nur als Ganzes.

Für den inneren Kasten in unserem Grover-Schaltkreis ist das Entscheidende, dass man das CNOT-Quantengatter auch als Spiegelung auffassen kann. Das verwundert nicht, weil wir oben gesehen hatten, dass das X-Quantengatter unter anderem eine Spiegelung an der Achse $ H \rvert 0 \rangle $ ist. So richtig klar wird es, wenn wir diese Spiegelung auf die Achse des Zustands |11⟩ drehen. Das erreichen wir durch die Schaltung $ H CNOT H $ in der Mitte, was man übrigens auch „Controlled Z“ oder CZ nennt. Die CZ-Quantenschaltung arbeitet insgesamt so: Falls das obere Qubit

  • den Zustand |0⟩ hat, lässt es das untere Qubit unverändert
  • den Zustand |1⟩ hat, lässt es den |0⟩ – Anteil des unteren Qubits unverändert und kehrt den und |1⟩ – Anteil ins Negative um.

Oder als Gleichung:

CZ ( |00+ |10+ |01+ |11) = |00+ |10+ |01|11

Das ist aber tatsächlich nichts anderes als eine Spiegelung! Genauso hatten wir nämlich oben auch die Funktionsweise des Orakels erklärt. Jetzt überprüfen wir noch an welcher Achse hier gespiegelt wird. Eigentlich kehrt sich in der Gleichung der |11⟩ – Anteil ins Negative. Nun muss man wissen, dass ein Quantencomputer bei jeder Messung am Ende globale Minuszeichen eines Zustandes ignoriert. Es macht am Ende also keinen Unterschied, wenn wir die komplette Qubit-Überlagerung mit „-1“ mal nehmen:

|00+ |10+ |01|11ist gleichwertig mit

|00 |10|01+ |11

Das macht die Controlled Z – Quantenschaltung also zu einer Spiegelung an der |11⟩ –Achse.

Schauen wir uns noch den Rest von dem inneren Kasten im Quanten-Schaltkreises oben an:

Die beiden unteren X – Quantengatter links und rechts von der Controlled Z – Schaltung $ H CNOT H $ drehen die Spiegelachse von der |11⟩-Achse zunächst auf die |10⟩-Achse. Die beiden oberen X-Quantengatter links und rechts drehen die Spiegelachse weiter auf die |00⟩-Achse.

Soweit zum inneren Kasten. Den Trick mit dem CZ – Quantengatter merken wir uns für später, wenn wir die Spiegelung für das Orakel konstruieren.

Die zusätzlichen Hadamard-Quantengatter im äußeren Kasten drehen dann die Spiegelachse $ \rvert 00 \rangle $ auf den Zustand $ \rvert S \rangle $, also ganz analog zu der Gleichung weiter oben $ H \rvert 00 \rangle = \rvert S \rangle $.

Alles verstanden?

Ich vermute, jetzt bekommen Sie langsam ein Ahnung, warum Quanten-Algorithmen so kompliziert sind. Und dabei ist der Grover-Algorithmus noch verhältnismäßig einfach 🙂 !

Die Pünktchen im weiteren Verlauf des Quanten-Schaltkreises deuten an, dass danach das Orakel und die Spiegelung an $ \rvert S \rangle $ entsprechend oft wiederholt werden müssen, damit der Lösungszustand verstärkt wird.

Am Ende erfolgt dann die Messung der einzelnen Qubits, die dann die gesuchte Lösung mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt.

Das Beispiel beschreibt den Fall für 2-Qubits. Für mehrere Qubits sieht die Schaltung prinzipiell genauso aus.

Ein Beispiel-Orakel für ein echtes „3SAT“-Problem

Eine der großen Stärken des Grover-Algorithmus ist es, dass er ein sehr universeller Algorithmus ist, den wir für eine riesige Auswahl an Problemen verwenden können. Der Teil des Quanten-Schaltkreises, den ich Ihnen im vorigen Abschnitt vorgestellt habe, sieht dabei für jedes Problem gleich aus. Der Teil des Quanten-Schaltkreises, der speziell für jedes Problem angepasst werden muss, ist das Orakel selbst.

Um einen Eindruck von einem Grover-Orakel zu bekommen, stelle ich Ihnen zwei Beispiele vor.

  1. Das erste Grover-Orakel gehört zu einem Problem, das so simpel ist, dass ich es „Deppen-Problem“ nenne.
  2. Das zweite Grover-Orakel ist wesentlich interessanter und auch wesentlich komplexer. Es gehört zu den sogenannten „3SAT“-Problemen, die zu den universellen NP-Complete-Problemen zählen. Aber dazu gleich mehr.

Kommen wir erstmal zum „Deppen-Orakel “:

Es ist leider das Standardbeispiel für ein Grover-Orakel und geistert in vielen Einführungen für den Grover-Algorithmus herum. Es ist so einfach, dass man nicht versteht worin überhaupt das Problem besteht.

In dem „Deppen-Problem“ werden die zwei Bits gesucht, also zwei Zahlen mit Werten 0 oder 1, die folgende Gleichungen erfüllen:

$ X_1 $ = 1

$ X_2 $ = 1

Dieses Problem liefert also seine eigene Lösung gleich mit! Es ist so einfach, dass man den ganzen Sinn und Zweck des Orakels im Grover-Algorithmus nicht richtig verstehen kann. Für den Einstieg zeige ich Ihnen trotzdem auch den Quanten-Schaltkreis zu diesem Orakel.

Nochmal zur Erinnerung: Wie muss das Orakel O in dem Grover-Algorithmus funktionieren? Das hatte ich oben beschrieben.

O soll wie folgtdie verschiedenen überlagerten Teilzustände von $ O \rvert x\rangle $ verändern:

  • Für alle Kombinationen von 0en und 1en, die keine Lösung sind (also |x = |00, |01 und |10) bleibt der Anteil an der gesamten Überlagerung unverändert. Als Gleichung geschrieben:$ O \rvert x \rangle = \rvert x \rangle $
  • Nur der |11er- Anteil an der gesamten Überlagerung wird ins Negative umgekehrt. Als Gleichung geschrieben:$ O \rvert 11 \rangle = – \rvert 11 \rangle $

Diesen Schaltkreis kennen wir bereits. Es ist gerade die Controlled Z – Quantenschaltung oder CZ, die wir oben kennen gelernt hatten:

Der ganze Grover-Schaltkreis sieht damit so aus:

Kommen wir aber jetzt zu einem vernünftigen Beispiel: Ein 3SAT-Problem.

Zunächst zu den SAT-Problemen bzw. den „Boolean Statisfiability“-Problemen:

So werden in der Informatik Systeme von Gleichungen mit mehreren Bit-Zahlen genannt. Dabei können die Bit-Zahlen jeweils mit UND, ODER oder NICHT miteinander verknüpft werden. Unser „Deppen-Problem“ ist also auch ein sehr einfaches SAT-Problem. 3SAT-Probleme wiederum sind solche SAT-Probleme, bei denen in jeder Bit-Gleichung nur drei Bit-Zahlen vorkommen dürfen. Zum Beispiel

$ (NICHT \ x_1) \quad ODER \quad (NICHT \ x_3) \quad ODER \quad (NICHT \ x_4)  = 1 $

$ x_2 \quad ODER \quad x_3 \quad (NICHT \ x_4) = 1 $

$ x_1 \quad ODER \quad (NICHT \ x_2) \quad ODER \quad x_4 = 1 $

$ (NICHT \ x_1) \quad ODER \quad X_2 \quad ODER \quad (NICHT \ x_4)  = 1 $

Sie werden mir zustimmen, das Problem sieht schon schwieriger aus! Die Komplexität von 3SAT-Problemen ist sogar amtlich: Sie gehören zu den „NP-Complete“-Problemen: Alle NP-Probleme können in 3SAT-Probleme umgewandelt werden. Könnte man alle 3SAT-Probleme einfach lösen, so könnte man auch man also alle NP-Probleme einfach lösen x.

Das 3SAT-Orakel, das ich Ihnen hier vorstelle stammt übrigens von Craig Gidney xi, dem Urheber des öffentlichen Quantencomputer-Simulators „Quirk“, mit dem ich die Quanten-Schaltkreise auf „quantencomputer-info.de“ erstelle. Mittlerweile ist er Mitarbeiter in Googles Quantum AI Lab und hat dort u.a. federführend die Programmierschnittstelle „Cirq“ mitentwickelt.

Gidney gibt folgenden Tipp, um ein Grover-Orakel zu konstruieren: Überlege Dir zu dem Problem den klassischen Schaltkreis für herkömmlichen Computer. Dann wandel die klassischen Gatter in Quantengatter um.

Unsere vier Gleichungen oben können wir umschreiben in eine Gleichung, die wir zu einem Schaltkreis umwandeln können. Da für Quantencomputer UND-Verknüpfungen handlicher sind als Oder-Verknüpfungen, müssen wir die Gleichungen noch zusätzlich umwandeln. Dabei machen wir uns zunutze, dass z.B. gilt $ (NICHT \ x_1) \quad ODER \quad (NICHT \ x_3) = NICHT( x_1 \quad UND \quad x_3) $.

 

$ NICHT \big( \quad x_1 \quad UND \quad x_3 \quad UND \quad x_4 \quad \big) \quad UND $

$ NICHT \big( \quad (NICHT \ x_2) \quad UND \quad (NICHT \ x_3) \quad UND \quad x_4 \big) \quad UND $

$ NICHT \big( \quad (NICHT \ x_1) \quad UND \quad x_2 \quad UND \quad (NICHT \ x_4) \big) \quad UND $

$ NICHT \big( \quad x_1 \quad UND \quad (NICHT \ x_2) \quad UND \quad x_4 \big) \quad UND $

$ = 1 $

Danach schreiben wir die Gleichungen als Tabelle um und zwar in derselben gedrehten Sichtweise, wie auch unser Quanten-Schaltkreis ausgerichtet sein wird.

Gleichung 1

Gleichung 2

Gleichung 3

Gleichung 4

Bit 1

Bit1

NICHT Bit1

Bit1

Bit 2

NICHT Bit 2

Bit2

NICHT Bit2

Bit 3

Bit3

NICHT Bit3

Bit3

Bit 4

Bit4

Bit4

NICHT Bit4

Der Quanten-Schaltkreis dazu ist unten dargestellt. Darin verwenden wir für jedes Bit natürlich ein Qubit. Jede Gleichung wird durch ein mehrfaches UND-Quantengatter dargestellt. Die schwarzen Kreise bedeuten, dass das Qubit so wie es ist UND-verknüpft wird. Die weißen Kreise bedeuten, dass das Qubit vor der UND-Verknüpfung mit einem X-Gatter NICHT-verknüpft wird. Das Ergebnis jeder Gleichung wird in einem zusätzlichen „Ancilla“-Qubit hinterlegt. Am Ende werden alle diese Ancilla-Qubits mit einem mehrfachen NICHT-UND-Gatter verknüpft, genauso wie es unser 3SAT-Problem verlangt. Das Endergebnis hinterlegen wir in einem zusätzlichen Qubit. Immer wenn dieses Qubit den Zustand |1 besitzt, sind alle unsere Gleichungen erfüllt. In allen anderen Fällen ist das letzte Qubit im Zustand |0.

Am Ende müssen wir uns noch um unser Orakel kümmern: Immer wenn eine Bit-Kombination alle Gleichungen erfüllt, soll sich der Teil der Überlagerung ins Negative umkehren und ansonsten so bleiben wie er ist. Oder anders ausgedrückt, immer wenn das Qubit für das Endergebnis im Zustand |1 ist, soll sich der Teil an der Gesamt-Überlagerung |xins Negative umkehren. Wenn das Endergebnis-Qubit im Zustand |0 ist, soll der Teil der Gesamt-Überlagerung |xso bleiben wie er ist. Das Quantengatter, das sich genauso verhält, nennt man Z-Quantengatter.

Z |0= |0und Z |1= – |1

In unserem vereinfachten Zeigerbild für Qubits ist das eine Spiegelung an der |0⟩ – Achse:

Die Schaltung oben ist allerdings wieder eine starke Vereinfachung. Für jede der 4 Bit-Gleichungen habe ich nur ein Quantengatter dargestellt. Tatsächlich müssten wir es jeweils mit einer Vielzahl zusätzlicher CNOT- und weitere Quantengatter ersetzen. Aber das ist tatsächlich „nur“ noch eine Fleißarbeit xii.

Fußnoten

i Polynomialer Rechenaufwand bedeutet Folgendes: Je komplexer das Problem wird, desto mehr nimmt natürlich die Zeit zu um die Lösung zu finden. Polynomialer Rechenaufwand bedeutet nun, dass die Anzahl der Rechenschritte um die Lösung zu finden nach einer Potenzregel zunimmt. Wenn N die Komplexität des Problems ist, so nimmt der Rechenaufwand dann grob gesehen wie N oder N² oder N³ oder N⁴, …. zu. Um z.B. eine Person unter N=1000 Personen zu finden, benötigt man im Mittel ½ * N Versuche. Probleme bei denen der Aufwand mehr als polynomial zunimmt, wären etwa Probleme deren Lösungsaufwand explosionsartig bzw. exponentiell zunimmt z.b. $ 2^N $. Solche Probleme sind eher charakteristisch für NP-Probleme.

ii Eine sehr schöne Einführung in die Komplexitätstheorie bekommen Sie auf Scott Aaronsons Website zu seinem Buch „Quantum Computing Since Democritus“: https://www.scottaaronson.com/democritus/lec6.html. Scott Aaronson ist einer der führenden Quanteninformatiker und ein fesselnder Didakt.

iii Mathematische Beweise sind insbesondere auch Kandidaten für NP-Probleme. Einen fertigen Beweis zu verifizieren ist, zumindest für Fachleute, gut machbar. Die Kunst ist es einen Beweis für ein Problem zu finden. So formulierte beispielsweise Pierre de Fermat seine berühmte Vermutung an + bn = cn in den 1650er Jahren. Trotz intensivsten Bemühungen von führenden Mathematikern wurde der Beweis hierfür erst 1994 von Andrew Wiles mithilfe von modernsten Methoden der arithmetischen Geometrie gefunden.

iv Tatsächlich ist das Diagramm über die Zusammenhänge zwischen P, NP, BQP und PSPACE fast komplett unbewiesen. Wirklich bewiesen wurde zuletzt allerdings die Vermutung, dass es BQP-Probleme gibt, die weder in P noch in NP liegen. Nebenbei wurde damit auch bewiesen, dass PSPACE und NP nicht gleich sind. Lesen Sie hierzu auch den Artikel auf Quantamagazine https://www.quantamagazine.org/finally-a-problem-that-only-quantum-computers-will-ever-be-able-to-solve-20180621/

v Der Begriff „Orakel“ hat für die Computerwissenschaften eine noch speziellere Bedeutung, was für den Grover-Algorithmus aber nicht wichtig ist.

vi Das exakte Bild eines Qubits ist das einer Kugeloberfläche. Die Zustände |0und |1⟩ müssen wir dann an Nord- und Südpol einzeichnen. Um von der Kreislinie zur Kugeloberfläche zu gelangen, muss ein zusätzliche Winkel verwendet werden, der auch „Phase“ genannt wird.

vii Zur Erinnerung: $ \sqrt{ a^2 + b^2 } = c $, wenn $ a $ und $ b $ senkrecht aufeinander stehen. Wenn jetzt noch mehr senkrechte Achsen dazukommen, erhalten wir $ \sqrt{ a_1^2 + a_2^2 + a_3^2 + a_4^2 + …} = c $. Da die $ 2^N $ $ a $‘s in der gleichmäßigen Überlagerung alle gleich lang sind und $ c $ die Länge 1 hat, bekommen wir $ \sqrt{ 2^N a^2 } = 1 $ was gerade $ a = 1 / \sqrt{2^N} $ ist

viii Da wir die Winkel als Radianten bzw. Kreisbogen messen, müssen wir genau genommen vor alle Winkel noch einen Faktor $ \pi / 2 $ schreiben. Um das ganze Thema nicht noch komplizierter aussehen zu lassen und uns nur das grobe Verhalten des Grover-Algorithmus interessiert, können wir diesen auch weglassen.

ix https://arxiv.org/abs/quant-ph/9701001: Fachartikel „Strengths and Weaknesses of Quantum Computing“. Eine besser verdauliche Variante des Beweises findet man in dem Standard-Lehrbuch „Quantum Computation and Quantum Information“ von Michael Nielsen und Isaac Chuang, oft auch kurz „Mike and Ike“ genannt.

x https://www.scottaaronson.com/democritus/lec6.html: „PHYS771 Lecture 6: P, NP, and Friends“, die 6. Vorlesung aus Scott Aaronson‘s legendären Vorlesungsreihe „Quantum Computing Since Democritus“. Darin beleuchtet Aaronson, einer bekanntesten Theoretiker für Quantencomputer weltweit, viele Grundlagen-Aspekte aus Mathematik, Informatik und Quantenmechanik auf eine erfrischend mitreißende Weise.

xi https://cstheory.stackexchange.com/questions/38538/oracle-construction-for-grovers-algorithm/38551#38551: „Oracle Construction for Grover’s Algorithm“, Thread auf CSTheory- Stackexchange

xii Die Quantengatter für jede Gleichung sind abgewandelte CCCNOT-Schaltungen. Teilweise müssten hier noch X-Gatter für die NICHT-Verknüpfungen in den Gleichungen vorgeschaltet werden. CCCNOT-Schaltungen können über mehrere CCNOT-Schaltungen erstellt werden: https://quantumcomputing.stackexchange.com/questions/2397/implementing-a-cccnot-gate-using-only-toffoli-gates. CCNOT-Gatter wiederum sind die Quantencomputer-Version von klassischen UND-Gattern und werden oft auch Toffoli-Gatter genannt. Ein Toffoli-Gatter kann wiederum über 6 CNOT-Gatter konstruiert werden: https://en.wikipedia.org/wiki/Toffoli_gate

Einleitung: Die Quantenrevolution beginnt

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Quantencomputer besitzen das Potential unsere Gesellschaft maßgeblich zu verändern.

Was vor über 30 Jahren als visionäres aber aussichtsloses Vermächtnis eines genialen Physikers begann, beginnt in diesen Tagen Wirklichkeit zu werden.

Ziel meiner Seite „quantencomputer-info“ ist es, umfassend und stets aktuell über die rätselhafte Technologie zu informieren. Alles was Sie dafür mitbringen müssen ist eine ordentliche Portion Neugierde.

Quantencomputer: Ein Informationsvakuum

Der Begriff „Quantencomputer“ taucht regelmäßig in den Technologie-Nachrichten der Mainstream-Medien auf. Die vereinzelten, sehr vagen Meldungen die Sie dort finden, können ein klares Bild allerdings nicht einmal annähernd ausreichend vermitteln. Auf der anderen Seite können Sie eine Vielzahl von komplizierten, sehr mathematischen Lehrmaterial von Hochschulen zu Quantencomputern finden. Aktuelle Entwicklungen zur Quantencomputer-Forschung können Sie hauptsächlich nur in noch viel anspruchsvolleren wissenschaftlichen Fachartikeln verfolgen. Das setzt ein ungeheures Vorwissen in der Quantenmechanik und in Mathematik voraus.

Insbesondere für Entscheider in der Technologiebranche wird allerdings irgendwann in den nächsten Jahren der Zeitpunkt kommen, an denen sie entscheiden müssen, ob ihr Unternehmen in die neue Technologie Quantencomputer investieren sollte. Informatiker und IT-ler müssen für sich persönlich abwägen, ob sie sich auf den beschwerlichen Weg machen sollten, um sich Knowhow in dem neuen Bereich „Quantencomputer“ anzueignen. Ein Bereich, der so komplett anders ist als jeder anderer in der Informatik. Und letztendlich werden technikinteressierte Laien mehr über die Technologie wissen wollen, der man wahre Wunder nachsagt.

quantencomputer-info.de soll dabei helfen dieses Informationsvakuum mit Leben zu füllen. Auf den nächsten Seiten werde ich Ihnen ein relativ genaues Verständnis für Quantencomputer vermitteln. Ich werde die Grundlagen erklären und auch gezielt auf Themen aus der aktuellen Entwicklung und Forschung eingehen. Dabei werde ich fast vollständig auf mathematische Formeln verzichten und das Wesen hinter den Quantencomputern eher bildlich beschreiben. Anstatt auf Exaktheit lege ich den Fokus also auf ein sehr gutes, qualitatives Verständnis. Deshalb soll diese Internetseite auch ein Ausgangspunkt sein, um in die so ungeheuer komplizierte Materie einzusteigen und dabei den Wald vor lauter Bäumen noch zu sehen.Sowohl im deutschen als auch im englischsprachigen Raum werden Sie wohl keine zweite Internetseite finden, die diesen Anspruch auf diese Weise erfüllt … Glaube ich zumindest.

Insbesondere werde ich Ihnen folgende Fragen genauer beantworten:

      • Was genau ist ein Quantencomputer?
      • Wie funktioniert ein Quantencomputer?
      • Warum dieser Hype um Quantencomputer?
      • Welche Quantencomputer gibt es jetzt schon und welche wird es demnächst geben?
      • Was sind die absehbaren Anwendungsgebiete für Quantencomputer?
      • Was genau ist ein „Qubit“?
      • Wie sehen Quantenprogramme eigentlich aus?
      • Was ist die Quanten-Überlegenheit?

Dabei halte ich die Antworten auf diese Fragen aktuell und gehe regelmäßig auf neue Entwicklungen ein.

quantencomputer-info.de: Ein Online-Buch

Meine Internetseite ist zum Einen als Online-Buch gedacht, dass Sie von vorne bis hinten durchlesen können. Mittlerweile umfasst es immerhin über 80 Din A4-Seiten und weit über 150 Referenzen auf wissenschaftliche Artikel und Vorträge, die ich über Jahre hinweg gesammelt habe (dank arxiv.org, Youtube, Wikipedea und Co sogar online frei zugänglich).

Falls Sie lieber gezielt einzelne Artikel lesen, was natürlich auch gut geht, möchte ich Ihnen trotzdem meine Einführung „Quantencomputer einfach erklärt“ ans Herz legen. Auch wenn Sie bereits einige grundlegende Dinge über die Quantencomputer erfahren haben, haben Sie eventuell noch nie einen Eindruck davon bekommen, wie ein Quantencomputer-Programm wirklich aussieht, geschweige denn, wie Sie eines schnell mal selbst online ausprobieren können. Außerdem erkläre ich Ihnen hier auf einfache Weise, wie ein bekannter Such-Algorithmus für Quantencomputer(der „Grover-Algorithmus“) in etwa funktioniert.

Letzteren führe ich dann nochmal viel genauer in dem Spezial-Artikel „Der Grover-Algorithmus und die Suche nach dem heiligen Gral“ aus. Nach der Lektüre können Sie das Programm tatsächlich verstehen, inklusive der merkwürdigen Quanten-Logik! Dabei erkläre ich Ihnen auch, welche Bedeutung der Algorithmus für das vielleicht größte offene Rätsel der Computer-Wissenschaften hat: Dem „P=NP“-Problem, das eines der Eine-Millionen-Dollar-Probleme ist.

Wenn Sie besonders an aktuellen Entwicklungen interessiert sind, sollten Sie meine Artikel „Welche Quantencomputer gibt es jetzt schon?“ und „Anwendungen für Quantencomputer“ lesen. Diese Artikel ergänze und aktualisiere ich regelmäßig. Hier erfahren Sie viel über den aktuellen Stand der Hardware, über die aktuell vielversprechenden Quanten-Algorithmen und über die diversen Cloud-Angebote der Techriesen und deren Teams dahinter. In meinem Zusatz-Artikel „Künstliche Intelligenz und Machine Learning mit Quantencomputern“ erfahren Sie dann u.a., wie eine brillanteTeenagerin im Sommer 2018 der kompletten Forschergemeinde den Boden unter den Füßen weghaut.

Wenn Sie genug Ausdauer haben und noch mehr über das Wesen der Quantencomputer, der Quanten-Logik und überhaupt über die Quantenmechanik erfahren wollen, empfehle ich Ihnen den Artikel „Das Qubit und ein Magier bei Britain has Got Talent“. Hier bekommen Sie unter anderem einen Eindruck davon, wie sehr das ganze Thema an pure Zauberei erinnert … am Beispiel eines berühmten und ziemlich coolen Zaubertricks in der englischen Talentshow. Außerdem „spule“ ich zurück nach Helgoland ins Jahr 1925, zur Geburtsstunde der Quantenmechanik und zu Werner Heisenbergs „Magischen Aufsatz“, und erkläre Ihnen seine berühmte „Unschärferelation“ am Beispiel eines Qubits. Diese und die anderen Erklärungen in dem Artikel, anhand von einfachen Zeigerdiagrammen, sind übrigens über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden. In so einer Form hätte ich sie mir tatsächlich auch für mein Physikstudium gewünscht.

Und was Sie auch lesen sollten …

Ach, vergessen Sie es. Wenn ich es mir recht überlege: Vermutlich sollten Sie doch einfach alles lesen.

Aber ich muss Sie warnen. Die Quantenmechanik und somit die Quantencomputer sind auf faszinierende Art und Weise mit Nichts vergleichbar, mit dem Sie sich bisher beschäftigt haben. Um sie zu erfassen ist ein gewisser Aufwand und viel Neugierde notwendig … aber was ich eigentlich sagen will, drückt Morpheus in dem Science-Fiction-Klassiker „Die Matrix“ noch am Besten aus:

„Das ist deine letzte Chance. Danach gibt es kein zurück. Nimm die blaue Pille — die Geschichte endet… Nimm die rote Pille — du bleibst hier im Wunderland und ich werde dir zeigen wie tief das Kaninchenloch reicht.”

Das „Quantencomputer-Zeitalter“

Quantencomputer werden vermutlich nach und nach das Tor zu einer neuen Welt öffnen. Diese Welt wird so bizarr und anders sein, dass die Forschung erst langsam einen Eindruck davon bekommt, was darin möglich sein wird. Es ist die Welt der Quanten-Berechenbarkeit und der Quanten-Komplexität. Durch die Quantencomputer werden die rätselhaften Quanteneffekte für unsere „Ära der Algorithmen“ erschlossen.

Die Erschließung der Quantenmechanik hat bereits das Industriezeitalter im Laufe der letzten 100 Jahre revolutioniert. Bahnbrechende Entwicklungen wie die Halbleiter, Transistoren, Dioden, Laser und viele weitere bilden das Herzstück unserer modernen, technologischen Gesellschaft. In allen möglichen Geräten unseres täglichen Lebens sind sie zu finden (wie den Computern, dem Internet, Smartphones, Fernsehern, …). Diese bahnbrechenden Technologien sind allerdings das Resultat von Quanteneffekten von riesigen Massen von Atomen und Lichtteilchen.

Quantencomputer sind stattdessen so etwas wie die digitale Version der Quantenmechanik: Sie verzahnen und verändern auf filigranste Weise einzelne, elementare Quantenzustände. Die Andersartigkeit der Quantenwelt besitzt das Potential das Wesen von grundlegenden Algorithmen und selbst das Wesen unserer Logik komplett umzukrempeln. Wir werden völlig neue und extrem abgekürzte Rechenwege entdecken und beschreiten können, die sonst unmöglich wären.

Am Beispiel eines Aufzuges an einem Hochhaus, erkennen Sie was ich mit „völlig neue Wege“ meine

Seit über zwei Jahrzehnten findet intensive Forschung zu dem Thema Quantencomputer statt. Erste experimentelle Quantencomputer wurden im Laufe der letzten 20 Jahre in Forschungseinrichtungen gebaut. Längst haben die Tech-Riesen Google, IBM, Microsoft & Co das bahnbrechende Potential der Technologie erkannt und führende Physiker, Informatiker und Mathematiker angeworben, um die Entwicklung der ersten kommerziellen Quantencomputer zu befeuern. Als Resultat stehen jetzt die ersten Quantencomputer in der Cloud.

Verfügbar für jedermann.

Noch unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit liefern sich die Tech-Giganten aktuell ein spannendes Wettrennen, welche Gruppe als erstes den nächsten großen Meilenstein erreicht: Der erste Nachweis der „Quantum Supremacy“ oder auf deutsch der „Quanten-Überlegenheit“. Also der erste Quantencomputer, der jeden herkömmlichen Supercomputer für gewisse Berechnungen überflügelt.

Alle Zeichen deuten darauf hin, dass dieser Schritt kurz bevor steht.

Quantencomputer: Der einfachste Weg, die Quantenmechanik zu verstehen lernen

Einen weiteren Punkt finde ich persönlich noch wichtig: Ein Quantencomputer ist letztendlich das einfachste Mehrteilchen-System in der Quantenmechanik. Wenn Sie die Funktionsweise eines Quantencomputers verstanden haben, haben Sie zwischen den Zeilen auch sehr viel über die Quantenmechanik erfahren. Zu grundlegenden Themen der Quantenmechanik ist es dann manchmal nur ein kleiner Schritt. Deshalb werde ich immer wieder auf einige Themen eingehen: Vielleicht haben Sie von dem „Welle-Teilchen-Dualismus“ gehört oder von „Schrödingers Katze“ oder von „Heisenbergs Unschärferelation“, der Existenz von „Paralleluniversen“. Oder was hat die Quantemechanik mit „Wurmlöchern“ im Weltraumzu tun? Wenn Sie die Ausdauer haben, werden Sie hier einiges darüber erfahren.

Ich selbst habe Physik und Mathematik studiert. Seit fast 20 Jahren bin ich jetzt als IT-Berater für große Unternehmen tätig. Meine Faszination für die Quantenphysik habe ich dabei nie verloren. Nicht nur in meinen Augen ist sie wie Zauberei: Nur in echt. Mit den Quantencomputern bekommen wir jetzt die Zauberkästen dazu. Ich verfolge sehr genau, wie diese Entwicklungen langsam Einzug in die IT erhält, und vor einer Weile habe ich beschlossen diesen Weg für mich und für andere zu dokumentieren.

Das Qubit und ein Magier bei „Britain Has Got Talent“

In diesem Beitrag erfahren Sie die grundlegenden Eigenschaften eines einzelnen Qubits und der Quantengatter. Da das Qubit das einfachste Quantensystem ist, lernen Sie dabei auch viel über die Quantenmechanik. Danach werden Sie verstehen warum die Quantenwelt und mit ihr die Qubits und die Quantenprogrammierung so faszinierend ist.

Dabei verwende ich keine „Höhere Mathematik“. Ich versuche Ihnen aber das Wesen der Gleichungen bildlich zu erklären. Damit werden Sie in der Lage sein selbst einen Eindruck davon zu bekommen was Physiker meinen, wenn sie z.B. sagen „Das Elektron ist sowohl Teilchen als auch Welle“.

Ein Magier bei „Britain Has Got Talent“

Fountain Studios, London, 26.5.2014:

Der 25 jährige Kanadier Darcy Oake betritt die Bühne der beliebten Talent-Show „Britain‘s Got Talent“. Was er im Begriff ist zu zeigen wird die Jury und sämtliche Zuschauer buchstäblich aus den Socken hauen.

In der Mitte der Bühne steht ein Gerüst mit einem Podest. Darcy Oake steigt auf eine Stahltreppe nach oben. Dort angekomment erklärt er dem Publikum, was wir schon vermuten: Von diesem Podest wird er nun verschwinden. Der Clou dabei ist Folgendes: dabei zeigt er auf einen Mann, der eine große Kamera geschultert hat und langsam über die Bühne wandert .Alles wird aus verschiedenen Blickwinkeln mitgefilmt und auf einer großen Leinwand live gezeigt.

Es geht los. Während der Kameramann um das Podest wandert sehen wir das Videobild von Darcy Oake, der sich auf dem Podest auf einen Stuhl setzt und sich ein riesiges Tuch über seinen Kopf zieht. Der Kameramann läuft auf der Bühne um das Gerüst herum. Kein Trick ist erkennbar. Wir sehen nur das flatternde Tuch und darunter die Männergestalt von Darcy Oake. Plötzlich fällt das Tuch auf dem Podest zu Boden und Darcy Oake ist … natürlich verschwunden. Aber jetzt kommt das Unglaubliche: Ein Assistent geht hinüber zum Kameramann, der immer noch mitten auf der Bühne steht. Der Assistent nimmt ihm die große Kamera aus den Händen und dreht sie herum. Jetzt sehen wir das Gesicht des Kameramannes auf der Leinwand. Es ist … Darcy Oake. Unglaublich.

Sie sollten sich selbst ein Bild davon machen. Der Trick und auch die Reaktion der Jury darauf sind einfach sehr cool. Hier geht’s zum Video:

https://www.youtube.com/watch?v=C5N0MDF1CYQ

Was ich so faszinierend an dem Trick finde: Für eine kurze Zeitspanne hat es Darcy Oake so aussehen lassen, als wäre er zweimal gleichzeitig vorhanden gewesen auf der Bühne: Ein Ich als Zauberer auf dem Podest und ein zweites Ich als Kameramann neben dem Podest. Erst als der Assistent das Geheimnis lüftet, wird allen Zuschauern klar, wer er jetzt ist.

Es gibt noch einen anderen Grund, warum ich den Trick so wunderbar finde: Was ich gerade beschrieben habe ist genau das was ein Qubit in der Quantenwelt ausmacht. Darcy Oake verhält sich in seinem Trick also genauso wie ein Qubit.

Warum meine ich das?

Das Qubit

Ein Qubit ist die einfachste Zustandsform der Quantenphysik. Ein binärer Quantenzustand der genau zwei Zustände besitzt. Meistens werden sie mit 0 und 1 bezeichnet, manchmal als „up“ und „down“, es ist ganz egal. Soweit unterscheidet sich ein Qubit nicht von einem Bit in einem herkömmlichen Computer ist. Letzteres ist ein elektronischer Schalter, der zwei Werte haben kann: An oder aus. Dies wird normalerweise durch die Zahlen 1 und 0 symbolisiert. Das Bit hat also entweder den Wert 1 oder den Wert 0.

Und das ist genau der Unterschied und das Unerklärbare an einem Qubit. Genau wie Darcy Oake in seinem Zaubertrick nimmt das Qubit beide „Ich-Zustände“ gleichzeitig ein. Im Laufe der Zeit „pendelt“ das Qubit bildlich gesprochen zwischen diesen Zuständen hin und her: Mal ist es mehr 1, mal ist es mehr 0. Und damit meine ich nicht, dass das Qubit z.B. mal den Wert 0.321, also näher bei 0, und mal den Wert 0,7681, also näher bei 1, hat. Nein: Es gibt wirklich nur die Werte 0 und 1, und beide in einer gemischten oder auch überlagerten Form.

Diese überlagerte Form lässt sich vereinfacht mit einem Zeiger auf einer Kreislinie vergleichen, wie ich es in dem Diagramm unten aufgezeichnet habe. Der Qubit-Zeiger pendelt entlang der Kreislinie. Die zwei gleichzeitig vorhandenen Ich-Zustände sind die x-Achse und die y-Achse des Diagramms. Die aktuellen x- und die y-Werte der Zeigerspitze (also die Ordinate und die Abszisse) sind ein Maß für die Wahrscheinlichkeit in diesem Moment den Zustand zu messen.

Die Stellung der Achsen „Kameramann“ und „Zauberer auf dem Podest“ haben übrigens nichts mit den tatsächlichen Positionen auf der Bühne zu tun. Das vereinfachte Zeigerbild zeigt an, welche Überlagerung das Qubit in einem abstrakten Parameterraum besitzt. Nebenbei: Diese spezielle Art von Raum wird „Hilbertraum“ genannt, benannt nach dem deutschen Mathematiker David Hilbert, dem vielleicht wichtigsten Mathematiker des 20. Jahrhunderts i.

Natürlich gibt es in der Quantenphysik für das Qubit eine exakte mathematische Beschreibung. Die am Anfang ungewöhnliche Schreibweise lautet:

|qubit⟩ = 0.500 * |0⟩ + 0.866 * |1⟩


Die Schreibweise mit den |0und |1 soll klar machen, dass es sich hierbei nicht um Zahlen, sondern um Zustände, also Objekte handelt. Wir hätten auch schreiben können |Kameramannfür |0und |Zauberer auf dem Podestfür |1⟩.

Nur die roten Dinger vor den Zuständen sind echte Zahlen. Die Zahlen sind ein Maß dafür, wie wahrscheinlich im Moment der Zustand |0⟩ oder |1⟩ gemessen werden würde. Im Laufe der Zeit, also während der Pendelbewegung, verändern sich die Zahlen nach einem genau bekannten Gesetz, der sogenannten „Schrödingergleichung“. Während eines Quantenprogramms werden diese roten Zahlen durch einen festen Satz von Quantengattern, den Grundbausteinen der Quantenprogramme verändert.

Wenn Sie genau hinsehen, bemerken Sie, dass die „Wahrscheinlichkeiten“ 0.500 und 0.866 nicht zusammen 1 ergeben (was in der normalen Wahrscheinlichkeitsrechnung 100% entsprechen würde). Der Grund: An der Gleichung oben gibt es ein paar mathematische Gemeinheiten, die die Sache noch einiges ungewöhnlicher machen ii. Das exakte Zeigerbild für ein Qubit werde ich in einem späteren Beitrag beschreiben iii. Für die Themen, die ich in diesem Beitrag beschreibe, reicht die vereinfachte Sichtweise aber schon ganz gut aus.

Nehmen wir als Beispiel ein Qubit, das im Zustand |0⟩ beginnt und dann in den Zustand |1übergeht.

|qubit⟩ = |0⟩


|qubit⟩ = 0.707 * |0⟩ + 0.707 * |1⟩

 

|qubit⟩ = |1⟩

Die „Pendelbewegung“ geht solange weiter, bis wir das Qubit tatsächlich messen und es in Interaktion mit seiner Umgebung treten muss. In diesem Moment entscheidet sich das Qubit für einen der beiden Ich-Zustände. Und zwar entscheidet es sich um so mehr für den Zustand, in dessen Richtung das Pendel vorher ausgeschlagen hat.

Dieses Verhalten des Qubits mag vielleicht auf den ersten Blick zwar etwas verwirrend aber doch irgendwie banal aus. Tatsächlich ist dieses Verhalten aber absolut unglaublich. Dieses Verhalten eines Qubits, und natürlich auch jedes anderen Quantenzustandes, ist einer der Gründe warum die Quantenwelt auch über 100 Jahren nach ihrer Entdeckung vielleicht das größte Rätsel der Naturwissenschaften ist:

Es ist als würde die Natur in ihren kleinsten, atomaren Strukturen Darcy Oakes Magie mit den beiden Ich-Zuständen ausführen, die gleichzeitig auf der Bühne sind.

Allerdings nicht als Trick, sondern in echt.

Der „Welle-Teilchen-Dualismus“

Was ich gerade beschrieben habe nennt man auch den „Welle-Teilchen-Dualismus“ der Quantenmechanik: Ein Qubit nimmt mehrere Zustände gleichzeitig ein, wie eine Welle. Bei jeder Messung, die wir durchführen, verhält es sich aber wie ein normales Teilchen und wir messen nur noch einen einzigen Zustand.

Die Sache mit der Welle kommt so ins Spiel: Ein Qubit besitzt nur zwei Zustände. Normalerweise besitzt ein Quantenobjekt wesentlich mehr Zustände und oft sogar unendlich viele! Für ein Elektron sind dies z.B. die Orte sein, an dem es sich aufhalten kann. Unser vereinfachtes Zeigerbild passt dann trotzdem noch. Nur besitzt das Diagramm dann nicht mehr nur zwei Achsen, sondern eine Achse für jeden möglichen Zustand. Also sehr sehr viele Achsen, die senkrecht aufeinander stehen. Gegebenenfalls auch unendlich viele Achsen. Natürlich kann man sich das nicht mehr vorstellen, weil wir uns nur einen Zeiger in einem Diagramm mit höchstens drei Achsen vorstellen können. In der Mathematik kann man solche Systeme mit unendlich vielen Dimensionen trotzdem exakt berechnen. Dieser Zweig der Mathematik wird „Funktionalanalysis“ genannt iv. Den Zeiger können wir dann immer noch auf die gleiche Weise schreiben. Jetzt allerdings mit mehr Zuständen.

|elektron = 0.0134 * |Ort 1 + 0.0136 * |Ort 2 + 0.0137 * |Ort 3 + 0.0137 * |Ort 4 +

….

+ 0.0317 * |Ort 10000 + 0.0316 * |Ort 10001 + 0.0315 * |Ort 10002 +

….

Daraus können wir uns jetzt unsere Welle zusammenbauen: Dazu reihen wir blauen Orts-Zustände wie eine Perlenschnur in der x-Achse aneinander. Die roten Wahrscheinlichkeits-Zahlen zeichnen wir als Pendelausschlag an diesem Ort auf der y-Achse ein. Heraus bekommen wir gerade das Bild einer Welle.

Das sollte Sie aber nicht in die Irre führen. Das Elektron ist keine Welle. Das Elektron ist wie dieser blaue Zeiger in einem Diagramm, dessen Zeigerspitze immer an einer bestimmten Stelle in dem abstrakten Hilbertraum mit den vielen senkrechten Achsen steht. Nur die Wahrscheinlichkeiten kann man so darstellen, dass sie aussehen wie eine Welle.

Der „Welle-Teilchen-Dualismus“ hat für Elektronen erstaunliche Konsequenzen: Es gibt dieses berühmte „Doppelspalt-Experiment“ in dem ein einzelnes Elektron durch zwei benachbarte Spalte gleichzeitig fliegt und auf eine Art Leinwand trifft. Dort heben sich die Wahrscheinlichkeiten komplett auf oder verstärken sich. Das Elektron „interferiert“ also mit sich selbst v.

Der abstrakte Hilbertraum hat übrigens die interessante Eigenschaft, dass er die Entfernungsinformationen der Orte komplett auflöst: Im Hilbertraum stehen alle Ortszustände als eigene Achse senkrecht aufeinander. Die Zeigerspitze ist von jedem Ort „gleichweit entfernt“. Nämlich höchstens um eine 90°-Drehung. Oder anders ausgedrückt: Um von hier bis ins Sternbild Alpha Centauri zu springen, muss das Elektron im Hilbertraum nur eine 90°-Drehung durchführen. Das gleiche gilt für einen Mikro-Sprung von einem Atom zum nächsten.

Ich finde das faszinierend. Vielleicht ist genau das, die richtige Sicht auf unser Universum und unsere Vorstellung von Entfernung kommt nur durch Nebeneffekte zustande vi.

Die Grundidee eines Quantenprogramms

Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Moment mal, die Argumentation ist zu dämlich! Das Qubit soll zwei Ich-Zustände zugleich einnehmen, obwohl das eigentlich unmöglich ist. Und wenn wir versuchen genau das zu beobachten, verschwindet der Effekt wieder. Wer soll das denn glauben ?!

Nun ja, viele Physiker wollten das am Anfang auch nicht glauben. Aber viele Experimente haben nachgewiesen, dass in der kurzen unbeobachteten Zeitspanne zwischen zwei Messungen, etwas ungeheuer Merkwürdiges passieren muss, das sich nur durch diese Art von Ich-Überlagerung erklären lässt.

Und dieses ungeheuer Merkwürdiges kann genutzt werden, um neue Arten von Berechnungen auszuführen:

Nehmen wir nochmal das Zauberer-Beispiel. Angenommen Darcy Oake muss eine Aufgabe lösen, die er niemals alleine lösen könnte. Zum Beispiel soll er die Rechenaufgabe 16 – 7 nur mit seinen Fingern lösen. Nur mal angenommen ihm geht es so, wie meinem kleinen Sohn und er kann sie wirklich nicht anders lösen als die Zahlen mit seinen 10 Fingern abzuzählen. Da die Aufgabe aber mit einer Zahl größer als 10 zu tun hat, ist sie für ihn eigentlich nicht lösbar. Jetzt startet er einfach seinen Trick. Er zaubert sein zweites Ich auf die Bühne. Zusammen lösen sie die Aufgabe mit ihren vier Händen. Am Ende zeigen jeweils beide Ichs die Zahl 9 mit Fingern in die Luft. Jetzt ist es egal welches der beiden Ich-Zustände von Darcy Oake am Ende gemessen wird und übrig bleibt. Er hat also die „unmögliche“ Aufgabe gelöst.

Das ist natürlich ein blödes Beispiel. Aber ich hoffe, Sie verstehen worauf ich hinaus will. Natürlich hat ein Qubit keine Finger. Für ein einzelnes Qubits muss man eher eine Frage stellen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Ausserdem sind die beiden Ich-Zustände eines einzelnen Qubits nicht unabhängig voneinander, wie Sie am Zeigerbild oben sehen können. Richtig rechnen kann man erst mit mehreren Qubits.

Das bringt uns sofort zu der Frage: Wie könnte man denn mit einem Qubit rechnen?

Dafür muss man verstehen, wie man ein Qubit überhaupt verändern kann. Das führt uns direkt zu den „Quantengattern“ für Quantencomputer. Im Detail erfahren Sie das in den nächsten Beiträgen auf Quantencomputer-Info. Wenn Sie ausschließlich an der Quantenprogrammierung interessiert sind, können Sie den Rest dieses Beitrags also überspringen. Im Rest dieses Beitrages bekommen Sie von mir ein paar Erläuterungen und Hintergründe zu den Quantengattern, die Ihnen dabei helfen sollten ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln.

Der Elektronen-Spin: Die Mutter aller Qubits

Um die Unregelmäßigkeiten in Strahlungs-Experimenten von Atomhüllen zu erklären, schlugen mehrere Physiker Ende der 1920er Jahren vor, dass jedes Elektron einen inneren Drall besitzen müsste: Der Elektronen-Spin. Der Eigendrall dieses Spins dürfte nur zwei mögliche Werte besitzen: „Wert ½, die Drehachse zeigt nach oben“ oder „Wert -½, die Drehachse zeigt nach unten“. Anders ausgedrückt: |up oder |down oder noch einfacher: |0 oder |1 . Der Elektronen-Spin ist als das allererste qubit-artige System in der Quantenmechanik.

Der österreichische Physiker Wolfgang Pauli untersuchte daraufhin die quantenmechanischen Gesetze nach denen sich das Spin-Qubit verändern kann. Die Grundbausteine, die er dafür fand wurden deshalb nach ihm benannt: „Die Paulimatrizen“. Alle anderen Qubits gehorchen auch den Paulimatrizen. Die Spin-Qubits haben aber die interessante Eigenschaft, dass sie eine Raumrichtungen auszeichnen, nämlich der Drehachse des Eigendralls. Und deshalb lassen sich die Paulimatrizen für Spin-Qubits, sehr schön anschaulich beschreiben.

Im Zentrum steht unter anderem die Frage: Wie dreht sich ein Spin-Qubit im Raum? Sie werden sehen, die Antwort ist absolut erstaunlich!

Wie dreht sich ein Spin-Qubit im Raum?

Nehmen wir erst mal einen ganz normalen Gegenstand. Angenommen Sie sitzen einem Bürostuhl gegenüber. Wenn Sie den Bürostuhl drehen scheint es so als ob er seine Form verändert. Natürlich macht er das nicht. Er sieht einfach aus jeder Blickrichtung anders aus. Dabei kommt es noch darauf an um welche Achse Sie den Bürostuhl drehen: Wenn Sie der Sitzfläche eine halbe Umdrehung versetzen sehen Sie die Rückseite des Bürostuhls. Wenn Sie die halbe Umdrehung anders durchführen, z.B. indem Sie ihn kopfüber drehen, sehen Sie auch die Rückseite. Allerdings ist der Bürostuhl jetzt auch noch auf den Kopf gestellt.

Gilt das gleiche für ein Spin-Qubit? Sieht es aus jeder Blickrichtung anders aus, je nachdem wie wir es drehen?

Ja, es sieht aus jeder Blickrichtung anders aus.

Bevor ich das genauer erkläre, müssen wir das Beispiel vom Zauberer und der Bühne noch etwas verfeinern.

Ich hatte Ihnen im vorangegangenen Abschnitt erklärt, dass ein Qubit ein Quantenzustand aus zwei überlagerten Zuständen ist, die es auf geheimnisvolle Weise beide gleichzeitig einnimmt. Im Zauberer Beispiel waren das die beiden Ich-Zustände „Kameramann“ und „Zauberer auf dem Podest“, die auf magische Weise gleichzeitig auf der Bühne vorhanden waren. Wir können uns das Qubit als gedankliches Pendel vorstellen, dass zwischen diesen beiden Ich-Zuständen hin- und herpendelt. Je mehr das Pendel in die Richtung eines Ich-Zustandes ausschlägt, um so wahrscheinlicher wird dieser Ich-Zustand am Ende gemessen. Vor der Messung sind trotzdem beide Ich-Zustände gleichzeitig vorhanden. In unserem Beispiel vom Zauber könnten wir uns diese Wahrscheinlichkeiten so vorstellen: Je unwahrscheinlich z.B. der Zustand „Kameramann“ wird, um so durchsichtiger wird er. Ist der Kameramann komplett ausgeblendet, ist die Wahrscheinlichkeit den Zustand „Kameramann“ zumessen gleich Null Prozent. Ist er vollkommen eingeblendet messen wir den Kameramann mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit. Dazwischen sind alle Wahrscheinlichkeitswerte erlaubt. Wir wollen uns die Wahrscheinlichkeiten für die Ich-Zustände also so vorstellen, als wären wir ein Videotricktechniker, der an einem Ein-/Ausblende-Regler für Darcy Oake herumspielt. An dem Zeigerbild oben erkennen wir außerdem: Wenn wir den Zustand „Kameramann“ langsam ausblenden, blenden wir den Zustand „Zauberer auf dem Podest“ automatisch ein.

Ist der Zeiger um 45° gedreht sind der „Kameramann“ und der „Zauberer auf dem Podest“ gleich stark eingeblendet. Es gibt ein haufig benutztes Quantengattern, dass sich vereinfacht betrachtet ganz ähnlich verhält. Das „Hadamard“-Quantengatter oder einfach „H“. Was ich gerade bildlich beschrieben habe schreibt man in der Quantenmechanik:

H |0⟩ = 0.707 * |0⟩ + 0.707 * |1⟩

Das Hadamard-Quantengatter ist ein sehr oft verwendeter Baustein in Quantenprogammen. Wenn man es z. B. auf alle Qubits in einem Quantencomputer anwendet, belegt es den Speicher in dem Quantencomputer mit allen verfügbaren Werten gleichzeitig.

Das X-Quantengatter: Die Drehung auf der Bühne

Jetzt zur Drehung im Raum.

Das vertrakte dahinter ist, dass das Zeigerbild unseres Qubits nur zwei Achsen besitzt. Der Raum hat aber drei Dimensionen. Tatsächlich steckt dahinter ein altes mathematisches Rätsel: Wie kann ich einen Zeiger mit zwei Komponenten verändern, so dass diese Transformation eine Drehung im Raum darstellt. Das ist knifflig, weil das Ganze eindeutig sein muss. An der Veränderung des Zeigers muss ich eindeutig ablesen können, wie das Qubit im Raum gedreht wurde. Andersherum muss eine bestimmte Drehung im Raum den das Qubit immer auf dieselbe Art und Weise ändern. Das Ganze muss zumindest für kleine Drehungen gelten. Ein Teilgebiet der Mathematik beschäftigt sich mit solchen Fragen: Die „Darstellungstheorie“. Das Problem wurde tatsächlich 50 Jahre vor der Entdeckung der Quantenmechanik von dem Mathematiker William Clifford gelöst. Die endgültige Lösung für das Problem werde ich erst im nächsten Beitrag vorstellen. Unser Beispiel mit dem vereinfachten Zeigerbild können wir aber jetzt schon verwenden, um einen besseren Eindruck von den Quantengattern H, X, Y und Z zu bekommen. Später werden wir dieses Bild dann verfeinern.

Nehmen wir zwei Assistenten, die auf der linken Seite der Bühne stehen und sich den Zaubertrick zunächst nur anschauen. Beide stehen am Anfang nebeneinander. Nehmen wir als Beispiel an, das dass der Zeiger des Kameramann – Zauberer auf dem Podest – Qubits am Anfang auf „Zauberer auf dem Podest“ steht. D.h. er ist komplett sichtbar und der Kameramann ist komplett unsichtbar.

Jetzt geht der erste Assistent langsam gegen den Uhrzeigersinn vorne um die Bühne herum. Während er läuft sieht er, dass der Kameramann langsam sichtbar und der Zauberer im Kasten immer mehr ausgeblendet wird. Für ihn ist es, als würde durch sein Laufen ein magischer Schieberegler verschoben, der beide Zauberergestalten videotechnisch ein- und ausblendet.

Der erste Assistent ist jetzt so weit gegangen, dass er vorne auf der Bühne und direkt vor dem Zauberer-Qubit steht. Der zweite Assistent steht immer noch links neben dem Qubit. Der gelaufene Assistent sieht Folgendes: Der Kameramann ist jetzt genauso eingeblendet, wie der Zauberer auf dem Podest und letzterer ist also entsprechend ausgeblendet. Wenn Sie sich an das Beispiel mit dem 45°-Winkel erinnern, werden Sie erkennen, dass der erste Assistent durch sein Laufen also ein Hadamard-Quantengatter auf das Qubit ausgeführt hat.

Jetzt geht der erste Assistent langsam weiter gegen den Uhrzeigersinn vorne um die Bühne herum. Der Kameramann wird weiter eingeblendet, während der Zauberer auf dem Podest weiter ausgeblendet wird. Als er auf der anderen Seite der Bühne, der rechten Seite, angekommen ist stoppt er. Was sieht er jetzt? Der Kameramann ist komplett eingeblendet und der Zauberer auf dem Podest ist komplett ausgeblendet. Wenn er jetzt das Zauberer-Qubit messen würde, würde er immer den Kameramann messen.

Aber was sieht der zweite Assistent, der die ganze Zeit auf der linken Seite der Bühne stehengeblieben ist? Für ihn hat sich die ganze Zeit nichts geändert: Nur der Zauberer auf dem Podest ist zu sehen und der Kameramann ist komplett unsichtbar. Wenn der zweite Assistent also das Zauberer-Qubit messen würde, würde er immer den Zauberer auf dem Podest messen. Also genau das Gegenteil von dem ersten Assistenten.

So sieht also ein Qubit aus den verschiedenen Blickrichtungen aus.

Die Drehung um 180° auf der Bühne hat übrigens auch einen festen Namen: X-Quantengatter. Also ein weiterer Baustein der Quantenlogik.

Was ich gerade bildlich beschrieben habe schreibt man in der Quantenmechanik:

X |0⟩ = |1⟩ und X |1= |0

Das X- Quantengatter in einem Quantencomputer ist also das Gegenstück zu einem NICHT-Gatter in einem herkömmlichen Computer: Es kehrt jeden Zustand in sein Gegenteil um.

Wenn wir das X- Quantengatter mit einem Hadamard-Quantengatter wie oben kombinieren bekommen wir:

X * H |0⟩ = X* ( 0.707 * |0⟩ + 0.707 * |1⟩ )

= X * 0.707 |0+ X * 0.707 |1

= 0.707 * X |0+ 0.707 * X |1

= 0.707 * |1+ 0.707 * |0

Die Quantengatter verändern also nur die blauen Zustände und nicht die roten Zahlen. Das Gleiche gilt für das Plus-Zeichen. Haben Sie die Rechnung verstanden? Herzlichen Glückwunsch! So sehen die Rechnungen in der Quantenmechanik aus (meistens allerdings ein bisschen komplexer). An dieser kleinen Rechnung können Sie übrigens auch schon verstehen, wieso es den Quantenparallelismus gibt. Warum erkläre ich Ihnen gleich im Anschluss.

In der Quantencomputer-Programmierung verwendet man für solche Rechnungen üblicherweise auch Quanten-Schaltungsdiagramme:

 

Die 50%-Anzeige ist kein zusätzliches Quantengatter und soll nur verdeutlichen, dass am Ende beide Zustände |0und |1⟩ mit gleicher Wahrscheinlichkeit gemessen werden würden.

Der Grund für den Quantenparallelismus

Wir haben gerade gesehen, dass die beiden Quantengatter X und H nur die blauen Qubit-Zustände verändern und die einfachen roten Zahlen übersehen. Sie übersehen auch das Plus-Zeichen dazwischen. Das ist eine Eigenschaft die alle Operationen der Quantenmechanik und somit auch alle Quantengatter besitzen. In unserer Erfahrungswelt sind wir auf die Messungen der Quanten-Systeme angewiesen und zerstören dabei die Überlagerungen der Qubit-Zustände. Ein Quantengatter hat im Gegensatz dazu kein Problem mit den Überlagerungen. Es wirkt auf jeden blauen Qubit-Zustand gleichberechtigt und erhält dabei die Überlagerung (in Form von den roten Zahlen und dem Plus-Zeichen). Ein X-Quantengatter führt z.B. in einem Rechenschritt parallel zwei NICHT-Operationen aus. Dafür müssen wir nichts tun. Die Quantenmechanik leistet das für uns umsonst. Diese Tatsache steckt hinter dem Quantenparallelismus.

Die beschriebene Eigenschaft der Quantengatter nennt man in der Mathematik übrigens „Linearität“. Die algebraischen Berechnungen die man auf diese Weise durchführt nennt man entsprechend „Lineare Algebra“.

Die Geburtstunde der Quantenmenchanik und die „Heisenbergsche Unschärferelation“

Ich hoffe, Sie haben noch etwas Luft für den Rest des Beitrages. An dieser Stelle kann ich es mir nicht verkneifen, noch die Mutter aller Quantenphänome kurz vorzustellen (obwohl dies eher weniger mit Quantencomputern zu tun hat). Über wohl keine Eigenschaft der Quantenmechanik wurde soviel geschrieben und philosophiert wie über die „Heisenbergsche Unschärferelation“. Kommen wir also zur Geburtsstunde der Quantenmechanik:

Helgoland, 1925: Der junge Göttinger Physiker Werner Heisenberg nimmt sich mehrere Wochen Urlaub, um seinen Heuschnupfen auf der Insel Helgoland zu kurieren. Die Wochen wird er nutzen um die offenen Rätsel der Atomphysik zu untersuchen. Im Juni gelingt ihn der Durchbruch und er schreibt einen Aufsatz, der die Wissenschaft revolutionieren wird. Seine neue Theorie, die „Quantenmechanik“ erklärt das Verhalten von Objekten im atomaren Maßstab auf so fundamental neue Weise, dass selbst Heisenberg zunächst zögert die Arbeit zu veröffentlichen. Zurück in Göttingen bespricht er die neuen Erkenntnisse mit seinem erfahrenen Kollegen Max Born. Dieser erkennt sofort die Tragweite der neuen Ideen. Zusammen arbeiten sie, mit Unterstützung von Borns Student Pascual Jordan, die ganze Quantenmechanik in einer Serie von drei Aufsätzen aus vii.

Heisenbergs erste Arbeit wurde später als „magischer Aufsatz“ bezeichnet viii: Zu Heisenbergs Zeit war nur wenig über die Welt der Atome bekannt. Und trotzdem schaffte er es mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit die Grundidee der Quantenmechanik in wenigen Zeilen herzuleiten: Die Umformulierung der Physik über den abstrakten Hilbertraum.

Im zweiten Aufsatz stellte das Team dann die Unschärferelation vor ix:

Um einen Eindruck von der Unschärferelation zu bekommen, kommen wir noch mal auf unser Zauberer-Beispiel zurück. Wir hatten gesehen, dass Darcy Oake die Zustände „Kameramann“ und „Zauberer auf dem Podest“ gleichzeitig besitzt. Angenommen er hat noch zwei andere Zustände „Alt“ und „Jung“, die er ebenfalls gleichzeitig besitzt. Die vier Eigenschaften hängen aber auf überraschende Weise voneinander ab:

„Kameramann“ und „Zauberer auf dem Podest“ hatten wir mit den beiden Achsen im Zeigerdiagramm gleichgesetzt. „Alt“ und „Jung“ sollen auch zwei Achsen in demselben Zeigerbild bekommen. Aber um 45° gedrehte Achsen! Das Thema hatten wir schon mal beim Hadamard-Quantengatter.

Für das Qubit-Beispiel von oben messen die Assistenten also mit fast 100%-iger Wahrscheinlichkeit den Zustand „Jung“ und nur selten den Zustand „Alt“.

Wenn jetzt ein Assistent den Zustand „Jung“ für Darcy Oake misst, dreht er damit das Zauberer-Qubit auf die grüne „Jung“-Achse. Aber was ist mit den Zuständen „Kameramann“ und „Zauberer auf dem Podest“?

Die sind jetzt komplett ungewiss!

Das Zauberer-Qubit steht jetzt genau in der Mitte zu den anderen beiden Achsen „Kameramann“ und „Zauberer auf dem Podest“. Eine Messung ergibt jetzt zu 50% den Kameramann und zu 50% den Zauberer auf dem Podest. Sobald ein Assistent jetzt zum Beispiel den Zustand Kameramann misst, dreht sich das Zauberer-Qubit auf die Kameramann-Achse.

Jetzt ist aber wieder die Messung für „Jung“ und „Alt“ komplett ungewiss!

Was jetzt auch klar wird: Es macht sogar einen Unterschied, ob die Assistenten zuerst die Messung für „Jung“ oder „Alt“ und danach die Messung für „Kameramann“ oder „Zauberer auf dem Podest“ durchführen oder umgekehrt!

Die Heisenbergsche Unschärferelation sagt jetzt Folgendes aus: Das gleiche Prinzip gilt in der Quantenwelt für den Ort und den Impuls, also die Geschwindigkeit, eines Teilchens. Der Ort ist wie die Zustände „Kameramann“ und „Zauberer auf dem Podest“ (nur wieder mit viel viel mehr senkrechten Achsen), der Impuls wie die Zustände „Jung“ und „Alt“. Wenn wir den Ort genau kennen, hat sich der Quanten-Zeiger des Teilchens so in die Mitte der Impuls-Achsen gedreht, dass der Impuls komplett ungewiss geworden ist. Andersherum gilt das Gleiche: Wenn wir den Impuls genau kennen, können wir nichts mehr über den Ort des Teilchens aussagen. Für beide Größen kommen wir an einer Unschärfe nicht vorbei.

Außerdem macht es einen Unterschied, ob wir zuerst den Ort und danach den Impuls messen oder umgekehrt. Die Messungen in der Quantenmechanik kann man also nicht einfach vertauschen und das gleiche kommt heraus. Deshalb nennt man die algebraischen Berechnungen in der Quantenmechanik auch „nichtkommutativ“. Warum die Natur sich gerade so verhält weiss bis jetzt kein Mensch. Aber auf diese Weise können die Physiker das Phänomen exakt beschreiben.

Nur wenn das Diagramm auf die Achsen für „Kameramann“ und „Zauberer auf dem Podest“ ausgerichtet ist, können wir die Wahrscheinlichkeiten für diese Zustände ablesen. Für die Zustände „Jung“ und „Alt“ gilt das zunächst nicht. Dafür müssen wir die Achsen erst auf die Sichtweise für „Jung“ und „Alt“ drehen. Der Wechsel zwischen den verschiedenen Sichtweisen auf ein Qubit oder auch auf ein Elektron nennt man „Basiswechsel“. Der Basiswechsel zwischen Ortsdarstellung und Impulsdarstellung hat einen speziellen Namen: Die „Fouriertransformation“. Ein Kernbaustein des Shor-Algorithmus ist z.B. auch die Fouriertransformation, die auf mehrere Qubits angewendet wird. Im Schaltdiagramm des Shor-Algorithmus auf der Quirk-Homepage unten erkennen Sie das an dem Kürzel „QFT“. Für ein Qubit ist die Fouriertransformation gerade das Hadamard-Quantengatter.

Fußnoten

i Auf dem Internationalen Mathematikerkongress im Jahr 1900 in Paris trug der damals bereits sehr einflussreiche David Hilbert eine Liste von 23 ungelösten Problemen der Mathematik vor. Diese Liste wurde zum Leitfaden der Mathematik des gesamten Jahrhunderts. Um nur eines seiner Verdienste für die Mathematik zu nennen. Nebenbei lieferte er sich ein Wettrennen mit Albert Einstein, zu dem er ansonsten ein fast freundschaftliches Verhältnis führte, wer die Allgemeine Relativitätstheorie als erstes entwickeln würde.

ii Tatsächlich ist jede rote Zahl die „Quadratwurzel der Wahrscheinlichkeit“ den jeweiligen Zustand zu messen. Man nennt diesen Sachverhalt die „Bornsche Regel“. Sie wurde zum ersten Mal von Max Born 1926 in einer Fußnote formuliert. Unter anderem für diese Fußnote erhielt er später den Nobelpreis. Warum gibt es die Bornsche Regel? Das ist eine offene Frage der Quantenphysik und es gibt tatsächlich neue Theorien, die sie erklären könnten.

iii Tatsächlich besitzt der exakte Qubit-Zeiger keine normale Kreissymmetrie, sondern eine „unitäre“ Symmetrie. Diese ist so etwas wie der große Bruder der Kreissymmetrie im Reich der „komplexen Zahlen“. Dadurch erhält unser einfaches, flaches Zeigerbild eine weitere Dimension, die sogenannte „Phase“. Das exakte Zeigerbild wird normalerweise als dreidimensionale Kugeloberfläche dargestellt, die „Blochkugel“. Die Zustände |0⟩ und |1⟩ befinden sich dabei am Nord- bzw. am Südpol. Diese ganzen Themen werde ich in einem späteren Beitrag erläutern.

iv Die Funktionalanalysis wurde u.a. von David Hilbert entwickelt. Einer seiner Studenten war John von Neumann. Er schrieb später das Standardwerk über die Mathematik der Quantenmechanik und prägte darin den Begriff „Hilbert Raum“. Berühmt wurde Von Neumann später allerdings durch seine zahlreichen Beiträge zur Mathematik, Physik und Informatik. U.a. stammt von ihm der Architekturansatz für moderne Digitalcomputer. Die sehr erfolgreiche „Spieltheorie“ wurde auch von ihm mitentwickelt.

v Wenn Sie mehr über das Doppelspalt-Experiment erfahren wollen, sollten Sie sich einmal die wohl berühmteste Textpassage der Lehr-Literatur in der Physik ansehen: In den ersten Kapiteln seiner Einführungsvorlesung in die Quantenmechanik erklärt Richard Feynman höchstpersönlich in seiner unnachahmlich klaren Art und Weise die Grundprinzipien der Quantenwelt. Seit 2013 stellt das California Institute of Technology die „Feynman Lectures“ frei im Internet zur Verfügung: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/III_01.html.

vi http://www.preposterousuniverse.com/blog/2016/07/18/space-emerging-from-quantum-mechanics/: Blogbeitrag von Sean Carroll über eine seiner wissenschaftlichen Arbeiten Space from Hilbert Space: Recovering Geometry from Bulk Entanglement“

vii https://en.wikipedia.org/wiki/Matrix_mechanics: Die exzellente Rekonstruktion auf Wikipedia über die Ereignisse und Erkenntnisse rund um das Team Heisenberg, Born und Jordan

viii https://arxiv.org/abs/quant-ph/0404009: Understanding Heisenberg’s ‚Magical‘ Paper of July 1925: a New Look at the Calculational Details

ix http://people.isy.liu.se/en/icg/jalar/kurser/QF/references/onBornJordan1925.pdf: Aufsatz „The 1925 Born and Jordan paper ‚On quantum mechanics‘“ über die Veröffentlichung zur Unschärferelation. Diese ist in der Quantenmechanik tatsächlich eine exakte algebraische Relation und gibt an, inwiefern die Sichtweisen in der Ortsdarstellung und die Impulsdarstellung voneinander abweichen. Die Unschärfe kommt erst durch die Messung am Ende zustande über die sich der Beobachter quasi für eine der beiden Darstellungen festlegt. Erst zwei Jahre später lieferte Heisenberg diese Erkenntnis in seinem Aufsatz „Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik.“ nach https://web.archive.org/web/20130224185514/http://osulibrary.oregonstate.edu/specialcollections/coll/pauling/bond/papers/corr155.1.html

Was können wir von Quantencomputern in den kommenden Jahren erwarten?


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Die Andersartigkeit der neuen Rechenwege

Bevor wir uns die ersten praktischen Anwendungsgebiete für Quantencomputer anschauen, sollten wir uns eine generelle Frage stellen.

Ich hatte schon mehrfach betont, dass Quantencomputer in ihrer Andersartigkeit ganz neue Rechenwege ermöglichen werden. Die Frage ist jetzt: Kann man dies präzisieren?

Die Antwort ist: In der theoretischen Informatik beginnt man damit genau dies zu tun.

Vor einem halbem Jahrhundert begannen Computerwissenschaflter damit, Probleme in Klassen zu unterteilen, je nachdem wie schwierig es ist eine Lösung zu finden. Probleme, die herkömmliche Computer mit verhältnismäßig wenig Rechenaufwand lösen können werden beispielsweise $ P $-Probleme genannt. Daneben gibt es Probleme, die nur mit sehr viel Rechenaufwand gelöst werden können, deren Lösungen aber mit wenig Rechenaufwand überprüft werden können. Diese Probleme werden $ NP $-Probleme genannt. Ein Beispiel hierfür ist die Zerlegung in Primfaktoren: Wenn man einmal die gesuchten Primfaktoren $ p $ und $ q $ einer Zahl $ n $ gefunden hat, ist die Überprüfung der Lösung kinderleicht, nämlich gerade $ p*q = n $. Die $ PSPACE $ -Probleme wiederum sind solche Probleme, deren Lösungweg man noch in einem herkömmlichen Computer programmieren kann, eventuell endet das Programm aber nie!

 

 

 

 

(Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/File:BQP_complexity_class_diagram.svg)

Sie können sich vorstellen, dass diese Themen ungemein tiefgreifend sind. Sie präzisieren, was wir uns unter „Berechenbarkeit“ und „Komplexität“ vorstellen müssen.

In diese Thematik passt unsere Frage über die Andersartigkeit der Quantencomputer ideal hinein:

Deshalb haben Wissenschaftler für Quantencomputer vor 30 Jahren eine neue Klasse eingeführt: $ BQP $ sind die Probleme, die ein Quantencomputer mit verhältnismäßig wenig Rechenaufwand lösen kann. Das Diagramm oben zeigt die Zusammenhänge zwischen den Problemklassen $ P $, $ NP $ und $ BQP $, die die meisten Wissenschaftler vermuten i. Sie können also erkennen, dass Quantencomputer wahrscheinlich viel mehr Probleme effizient lösen können als herkömmliche Computer, insbesondere einige der „Mega-Probleme“ in PSPACE. Sie erkennen aber auch, dass selbst Quantencomputer vermutlich ihre Grenzen haben werden.

Eine wichtige Tatsache wird in diesem Diagramm allerdings nicht deutlich: Probleme die ein Quantencomputer nur mit viel Aufwand lösen kann, die also nicht in BQP liegen, sind auf herkömmlichen Computern noch wesentlich aufwendiger zu lösen. D.h. selbst bei den schwierigen NP-Problemen haben die Quantencomputer einen Geschwindigkeitsvorteil. Den Quanten-Algorithmus hierfür nennt man „Grover-Algorithmus“. Ihn werde in einem eigenen Beitrag im Detail vorstellen. Dann kommen wir auch wieder auf das Diagramm oben zu sprechen.

So, genug der Theorie. Kommen wir zu konkreten Problemen und konkreten Quantenprogrammen.

Ein goldenes Zeitalter für Quantencomputer

Glaubt man Seth Lloyd vom Massachusetts Institute of Technology / MIT, erlebt die Quantencomputer-Szene gerade so etwas wie ein goldenes Zeitalter. Seth Lloyd bezeichnet sich selbst als „Quantum Mechanic“, ist einer der Gründerväter der Szene und seit über 25 Jahren ein führender Theoretiker in dem Bereich. Nebenbei sind seine Vorlesungen und Vorträge einfach ziemlich witzig. So gibt er gerne die Legende zum besten, dass der Finanzcrash von 2009 durch die verkopften Transaktions-Algorithmen von einem Haufen arbeitsloser Physiker für Superstring-Theorie verursacht wurde. Augenzwinkernd fügt er dann hinzu, dass die Quanten-Informationstheoretiker dadurch angespornt sind die Sache mit der Weltwirtschaft jetzt zu Ende zu bringen. Mit noch fieseren Algorithmen ii.

Lloyd erzählt, dass die Forschung an Quantencomputern gerade mal mit einer handvoll Wissenschaftlern begann. Heute sind es Zehntausende, die die Entwicklung in dem Bereich regelrecht beflügeln. Im Jahr 1985 wurde das erste Quantenprogramm von David Deutsch vorgestellt, das für eine spezielle Aufgabe weniger Rechenschritte benötigte, als ein herkömmlicher Computer. In den Jahrzehnten seitdem wurde eine Vielzahl an faszinierenden Quantenalgorithmen entwickelt, die die herkömmlichen Programme für dieselbe Aufgabe meilenweit hinter sich lassen und exponentielle Rechenbeschleunigungen erzielen können.

Was bislang fehlte war die zugehörige Hardware.

Diese ist langsam verfügbar. Die Tech-Riesen arbeiten an Cloud-Angeboten für ihre Quantencomputer. Zahlreiche Startup-Firmen entwickeln Quantencomputern mit Dutzenden von Qubits. An öffentlichen Einrichtungen wird die Forschung an größeren und verlässlicheren Quantencomputern ebenfalls weiter vorangetrieben.

Lloyd vergleicht die aktuelle Entwicklung mit der Gründerzeit der ersten Digitalcomputer. Das Konzept für die herkömmlichen Digitalcomputer wurde in den 1930er Jahren von Claude Shannon in seiner Masterarbeit, ebenfalls am MIT, vorgestellt. Die Arbeit von Shannon wurde später als die „einflussreichste Masterarbeit des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Das Hauptwerk von Shannon sollte später allerdings die moderne Informationstheorie werden, die er im Alleingang entwickelte und die auch die Vorlage für die Quanten-Informationstheorie wurde. Claude Shannon war ohne Zweifel einer der prägendsten Wissenschaftlern des 20. Jahrhunderts. Konrad Zuse entwickelte während des 2. Weltkriegs erste Prototypen. Bis in die 1950er Jahre waren mehrere erste Computermodelle verfügbar. Diese waren sehr limitiert, riesengroß und fehleranfällig, Aber allein diese Verfügbarkeit legte den Grundstein für die Entwicklung einer Vielzahl von grundlegenden Algorithmen, die auch heute noch verwendet werden. Die Informatikgeschichte ist voll von Beispielen über Algorithmen, die praktisch sehr erfolgreich waren (oder noch erfolgreich sind), ohne dass man zunächst den Grund für den Erfolg theoretisch begründen konnte. Das „Simplex-Verfahren“ ist so ein Beispiel. Und sehr aktuell gilt dies auch für die „Deep-Learning Netze“, die das Herzstück der künstlichen Intelligenz bei Google, Amazon, den autonomen Autos & Co bilden.

Die Situation mit den ersten Quantencomputern ist heute sehr ähnlich. Sie sind aufwendig im Betrieb, besitzen nur wenige Dutzend Qubits und sind besonders noch sehr fehleranfällig. Aktuell sind alle Quantencomputer den herkömmlichen Computern in ihrer Rechengeschwindigkeit weit unterlegen. Überhaupt werden die herkömmlichen Computer selbst in der Quantencomputer-Ära weiterhin für die normale Rechenarbeit benötigt. Quantencomputer werden vermutlich nur für besonders rechenintensive Probleme eingesetzt werden, deren Lösungen aber besonders wertvoll sein werden. Viele interessante Quanten-Algorithmen dafür können allerdings nur unzureichend auf der aktuellen Hardware umgesetzt werden iii. Dieses Bild ändert sich aber laufend:

Im Laufe dieses Jahres werden wohl die ersten Quantencomputer verfügbar sein, die die Grenze von 50 Qubits, der Grenze der Quanten-Überlegenheit, durchbrechen werden. Und in der nächste Phase der Entwicklung werden Quantencomputer konstruiert werden, die 50 Qubits bis zu wenigen hundert Qubits leistungsstark sind. Diese werden noch nicht in der Lage sein umfangreiche Quantenprogramme auszuführen, da mit dieser Anzahl von Qubits noch keine Quanten-Fehlerkorrekturen möglich sind. Aber wenn die Fehleranfälligkeit der einzelnen Rechenschritte in heutigen Größenordnungen bleibt, dürften die Quantenprogramme bis zu mehrere hundert Rechenschritte mit tolerierbaren Fehlerraten durchführen können. Und mit solchen Quantencomputern sollten wir in der Lage sein bereits außergewöhnliche Dinge berechnen zu können.

Erste Anwendungsgebiete zeichnen sich ab

Den Shor-Algorithmus werden wir sicherlich noch eine längere Zeit nicht für Zahlen von interessanter Größe ausführen können, da hierfür die Quanten-Fehlerkorrektur und eher viele tausend Qubits und Millionen von Quantengattern notwendig wären. Es gibt aber andere leistungsstarke Quantenalgorithmen, die bereits in der Generation von Quantencomputern mit bis zu wenigen hundert Qubits einsatzfähig sind.

Folgende zentrale Einsatzfelder und Business Cases zeichnen sich für die Quantencomputern der nächsten Jahren ab: iv v vi

 

  • Grundlagenforschung in der Physik
  • Materialforschung- und -entwicklung
  • Chemische Forschung, Quantenchemie
    • Pharmazeutische Forschung
  • Bigdata (z.B. Google, Amazon, Netflix)
  • Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen
  • Finanzwirtschaft
  • Logistik
  • Assistentensysteme (z.B. Kranheitsdiagnose)
  • Simulationen von Quantensystemen
  • Energieeinsparung
  • IT-Beratung zur Quantencomputer-Technologie für Kunden

In den nächsten Abschnitten werden Sie mehr über die Quanten-Algorithmen zu diesen Einsatzfeldern erfahren.

Optimierungsaufgaben: Quantum Variational Eigensolver

Materialforschung, chemische Forschung, Logistik, Finanzwirtschaft, IT-Beratung

Für die kommende Generation der Quantencomputer, der Quanten-Überlegenheit-Computer, zeichnet sich ein Lösungsverfahren für Optimierungsaufgaben ab, dass teilweise Quantencomputer und teilweise herkömmliche Computer verwendet. Das Verfahren hat den Vorteil, dass die praktischen Einschränkungen der jungen Quantencomputer ausdrücklich berücksichtigt werden. Unter anderem scheint es immun gegenüber Rechenfehlern der Quantencomputern zu sein.

Das Verfahren kann auch zur Simulation von Quantensystemen in der Chemie und Materialforschung verwendet werden und ist dort unter dem Namen „Quantum Variational Eigensolver (QVE)“ bekannt vii.

Jarrod McClean, einer der Entwickler des Quantum Variational Eigensolver – Algorithmus, zitiert hierfür z.B. folgendes interessante Anwendungsbeispiel viii: Im Jahr 1913 wurde das Haber-Bosch-Verfahren zur Synthetisierung von Ammoniak zum ersten Mal großindustriell eingeführt. Seitdem ist es das weltweit dominierende Verfahren für die Herstellung von Düngemitteln. Es benötigt allerdings eine Hitze von 400° Celsius und einen Druck von 200 Bar. Etwa 1-2% des weltweiten Energiebedarfs wird jährlich nur in das Haber-Bosch-Verfahren gesteckt.

Pflanzen und Pilze hingegen synthetisieren Ammoniak bei 20° Celsius und einem Druck von 1 Bar, dem Atmosphärendruck. Forscher konnten die zentralen Reaktionen hierfür zwar lokalisieren allerdings nicht detailliert verstehen. Die notwendigen Quantensimulationen sind schlichtweg zu komplex, als das sie von einem herkömmlichen Supercomputer berechnet werden könnten.

Quantencomputer wären dazu allerdings in der Lage ix. Dafür ist McClean maßgeblich für Google an der Entwicklung des OpenSource-Frameworks „OpenFermion“ beteiligt x. Ziel von OpenFermion ist es Molekül-Eigenschaften zu berechnen, in dem es ein chemisches Problem in die Welt der Quantencomputer übersetzt. Der Anwender braucht im Prinzip also keine Kenntnisse in der Quantenprogrammierung.

IT-Beratung für Quantencomputer

McClean ist übrigens mittlerweile angestellt beim Google Quantum AI Lab. Es zeigt sich das Tech-Riesen wie Google und Microsoft gezielt auch die theoretischen Wissenschaftler aus der öffentlichen Forschung anheuern, die sich durch Anwendungsmöglichkeiten der nächsten Quantencomputer-Generation hervorgetan haben. Dies kann zum einen mit dem Nachweis der Quanten-Überlegenheit zusammenhängen: Um sie nachzuweisen benötigt man sowohl die Quantencomputer-Hardware als auch einen geeigneten Quanten-Algorithmus.

Zum anderen bauen die Konzerne damit auch spezialisierte und hochkarätige Knowhow-Einheiten auf, die in Zukunft als Schnittstelle zwischen Kunden und der neuen Technologie dienen können. Erste Beispiele solcher Kooperationen gibt es bereits xi.

Diesen Business Case im Umfeld der der nächsten Quantencomputer erwähnt das Google Quantum AI Lab übrigens selbst ausdrücklich. xii

Lineare Algebra: QRAM, Matrix Inversion, Quantum principal component analysis

Materialforschung, chemische Forschung, Logistik, Finanzwirtschaft, Maschinenlernen, Bigdata

Der Shor-Algorithmus ist das bekannteste und ein leicht verständliches Beispiel, wie ein Quantenprogramm unsere Gesellschaft verändern kann. Der wirtschaftliche Nutzen für Unternehmen durch den Shor-Algorithmus sähe allerdings wahrscheinlich eher bescheiden aus.

Ganz anders ist das im Falle der „Linearen Algebra“. Sie ist vielleicht das Grundwerkzeug der Mathematik. So unglaublich viele Probleme und Aufgaben in der Forschung, Wirtschaft und Industrie lassen sich mit ihrer Hilfe lösen. Die Quantenmechanik selbst ist zum Beispiel ein riesiges Lineare-Algebra-Problem.

Seth Lloyd und andere haben mittlerweile Quantenalgorithmen für die Lineare Algebra entwickelt, die ein gigantisches Verbesserungspotential gegenüber herkömmlichen Methoden besitzen (QRAM xiii, Matrix Inversion xiv).

Sie könnten vielleicht zu dem „Killer-Feature“ der Quantencomputer werden.

Ein Beispiel hierzu: Netflix verwendet für die Film-Empfehlungen an seine Kunden einen Algorithmus der auf der sogenannten „Principal Component Analysis“ der künstlichen Intelligenz basiert. Diese erweitert des Prinzips des „Starren Körpers“ aus der klassischen Mechanik auf beliebige Datenstrukturen. In der Mechanik betrachtet man einen festen Körpern von beliebiger Form als Ansammlung von sehr, sehr vielen einzelnen Massepunkten. Das Prinzip des „Starren Körpers“ besagt, dass dieser Körper in Summe dann immer drei feste Drehachsen besitzt. Dreht sich der Körper um eine dieser Achsen, gibt es keine Umwucht und die Drehung sieht wie beim Kreisel immer gleichmäßig aus. Der Ort jedes einzelnen Massepunktes lässt sich dann durch seine Drehachsen-Anteile beschreiben. Die Drehachsen selbst lassen sich mithilfe der Linearen Algebra aus der Statistik aller Punkte berechnen.

Die Principal Component Analysis übersetzt dieses Prinzip in die Datenstrukturen des Big Datas. Aus den Nutzungsdaten aller Netflixkunden kann eine Art Starrer Körper berechnet werden. Dieser Datenkörper ist nun nicht mehr dreidimensional, sondern lebt in einem hochdimensionalen Datenraum. Der starre Datenkörper besitzt auch feste „Drehachsen“, den „Components“. Das Nutzungsverhalten eines einzelnen Kunden lässt sich wiederum vollständig durch die Components beschreiben. Die Components, die den größten Anteil am Nutzungsverhalten eines einzelnen Kunden haben, sind dann die „Principal Components“ des Kunden. Dieser erhält dann die entsprechenden Empfehlungen (z.B. „Komödien aus den 1990er Jahren“).

Die Berechnungen müssen riesige Datenmengen in einem hochdimensionalen Datenraum bewältigen. Netflix braucht dafür einen vollen Tag.

Die Principal Component Analysis könnte durch einen Quantencomputer exponentiell beschleunigt werden.

Es könnte sein, dass die neuen Algorithmen von Seth Lloyd und anderen noch zu anspruchsvoll für die kommende Generation von Quantencomputern sind. Aber wie John Preskill in seiner Keynote für die Konferenz „Quantum to Business“ im Dezember 2017 erklärte: „Wir werden es ausprobieren und herausfinden“. Mit den kommenden Quantencomputern werden wir die ersten ernsthaften Gehversuche mit den Quantenalgorithmen machen. Unsere Erfahrungen mit den herkömmlichen Digitalcomputern haben gezeigt: Es ist wahrscheinlich, dass wir ganz neue Wege finden werden, die theoretisch jetzt noch nicht absehbar sind.

Fußnoten

i Tatsächlich ist das Diagramm über die Zusammenhänge zwischen P, NP, BQP und PSPACE fast komplett unbewiesen. Selbst der Zusammenhang zwischen NP und P gilt als eines der grundlegendsten offenen Fragen der theoretischen Informatik. Wirklich bewiesen wurde zuletzt allerdings die Vermutung, dass es BQP-Probleme gibt, die weder in P noch in NP liegen. Nebenbei wurde damit auch bewiesen, dass PSPACE und NP nicht gleich sind. Lesen Sie hierzu auch den Artikel auf Quantamagazine https://www.quantamagazine.org/finally-a-problem-that-only-quantum-computers-will-ever-be-able-to-solve-20180621/

ii https://www.youtube.com/watch?v=5xW49CzjhgI: Vortrag von Seth Lloyd „The Future of Quantum Computing“

iii https://arxiv.org/abs/1804.03719: Der Fachartikel „Quantum Algorithm Implementations for Beginners“ von diversen Autoren gibt eine kurze Einführung in eine ganze Liste von bekannten Quanten-Algorithmen mit viel Potential. Zusätzlich wird versucht diese Algorithmen auf einem 5 Qubit-Quantencomputer von IBM umzusetzen. Die Resultate sind etwas ernüchternd. Natürlich sollte man von einem 5 Qubit-Quantencomputer nicht allzu viel erwarten.

iv https://research.google.com/pubs/pub45919.html: Nature-Artikel von Google „Commercialize Quantum Technologies in Five Years“

v http://www.theory.caltech.edu/~preskill/talks/Q2B_2017_Keynote_Preskill.pdf: Folien zum Keynote-Vortrag von John Preskill zur Konferenz „Quantum for Business“

vi https://arxiv.org/abs/1801.00862: Artikel von John-Preskill „Quantum Computing in the NISQ era and beyond“

vii http://arxiv.org/abs/1509.04279: wissenschaftliche Arbeit von Jarrod R. McClean u.a. „The theory of variational hybrid quantum-classical algorithms“

viii https://www.youtube.com/watch?v=w7398u8G588: Vortrag von Jarrod McClean: „Quantum Computation for the Discovery of New Materials and […]“

ix http://www.pnas.org/content/early/2017/06/30/1619152114: Wissenschaftlicher Artikel u.a. von Krysta Svore, Matthias Troyer (Microsoft) „Elucidating reaction mechanisms on quantum computers“

x https://github.com/quantumlib/OpenFermion: OpenSource-Framework u.a. für Quanten-Chemie, das von Google federführend entwickelt wird.

xi https://www.volkswagenag.com/de/news/2017/11/quantum-computing.html: Presseerklärung von VW „Volkswagen Konzern und Google arbeiten gemeinsam auf Quantencomputern“. Daneben kooperiert Volkswagen auch mit D-Wave um erste Probleme aus dem realen Leben auf D-Waves Quantenrechner abzubilden https://arxiv.org/abs/1708.01625: Artikel von Volkswagen und D-Wave „Traffic flow optimization using a quantum annealer“.

xii https://research.google.com/pubs/pub45919.html: Nature-Artikel von Google „Commercialize Quantum Technologies in Five Years“

xiii https://arxiv.org/abs/0708.1879: wissenschaftliche Arbeit von Seth Lloyd u.a. „Quantum random access memory“

xiv https://arxiv.org/abs/0811.3171: wissenschaftliche Arbeit von Seth Lloyd u.a. „Quantum algorithm for solving linear systems of equations“

Der sehr, sehr steile Weg zum ersten Quantencomputer

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Richard Feynmans Vision

Der Weg zu den ersten Quantencomputern war sehr, sehr steil und glich eher der Erstbesteigung des Mount Everest oder dem Wettlauf zur ersten Mondlandung.

Die Idee wurde zum ersten Mal in den 1970er Jahren erwähnt. Als Urvater des Quantencomputers wird allerdings meistens der legendäre amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman genannt. Feynman war einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts und seine Ideen hatten viel Gewicht. Unter anderem gab er mit einem berühmten Vortrag „There’s Plenty of Room at the Bottom“ auch den Startschuss für die Nanotechnologie. Seinen Nobelpreis bekam er allerdings für seine Beiträge zur Theorie der Elementarteilchen.

Er schlug im Jahr 1982 vor, eine neue Art von Computer zu entwickeln, die sich die Besonderheiten der Quantenmechanik zu nutzen macht. Ein Quantencomputer. Erst dann wäre man in der Lage, so Feynman, die atomare Welt und somit letztendlich die Natur, erfolgreich zu simulieren und zu berechnen. Zu dem Zeitpunkt erschien die Idee allerdings so absolut aussichtslos, dass sie nicht wirklich weiterverfolgt wurde. In den vorangegangenen Jahrzehnten hatte die Forschung nämlich sämtliche experimentelle Untersuchungen der Quantenphysik durchgeführt, indem sie riesige Massen von Elektronen oder Lichtteilchen untersucht hatte. Die Vorstellung kontrollierte Systeme aus einer handvoll Quantenbausteinen zu erstellen, die darüber hinaus stabil genug wären, um damit exakte Rechnungen durchzuführen, galt den meisten Forschern noch als absolut abwegig.

Warum ist das so schwer?

Die Dekohärenz, der Schrecken der Quantenwelt

Ein wichtiger Grund ist Folgender: Ein Quantencomputer verhält sich nur dann wie ein Quantensystem, wenn er perfekt von seiner Umgebung isoliert ist. Wenn er das nicht ist, passiert nach und nach genau das, was bei der Messung des Endergebnisses eines Quantenprogramms passiert: Das System verliert seine Quanteneigenschaften. Jede kleine Interaktion mit der Umgebung ist wie eine kleine Messung. Das Phänomen bezeichnet man „Dekohärenz“. Die Tatsache, dass es die Dekohärenz gibt ist eine grundlegende Eigenschaft der Quantenmechanik. Dahinter steckt das große Rätsel: Warum sehen wir in unsere Alltagswelt keine Quanteneffekte? Am Ende besteht doch schließlich alles aus Atomen, also Quanten. Aus der Frage haben sich verschiedene Interpretationen der Quantenmechanik entwickelt, und sie ist auch noch fast 100 Jahren später immer noch Gegenstand der aktuellen Forschung i ii. Die bekanntesten Interpretationen heißen „Kopenhagener Deutung“, die um die Gruppe des dänischen Physikers Niels Bohr sehr nachhaltig vertreten wurde und lange Zeit die führende Interpretation in der Physik war. Die zweite oft vertretene Interpretation heißt die „Viele-Welten-Hypothese“ die von der Existenz von Paralleluniversen handelt.

Für die Entwicklung eines Quantencomputers ist es natürlich sehr schade, dass es die Dekohärenz gibt. Auf der anderen Seite können wir froh sein, dass es sie gibt. Denn ansonsten wäre unsere Welt, also die makroskopische Welt, auch eine Quantenwelt und somit ein sehr sehr schräger Platz zum leben.

Quanten-Fehlerkorrektur

Um die letztendlich unvermeidbare Dekohärenz nachhaltig gering zu halten und lange Quantenprogramme überhaupt erst zu ermöglichen, hat sich in den letzten 20 Jahren ein weiterer Forschungszweig in der Quanteninformation herauskristallisiert: Die Quanten-Fehlerkorrektur. Sie wird aus praktischen Gründen noch auf viele Jahre nicht für aktuelle Quantencomputer verfügbar sein. Dennoch wird die Quanten-Fehlerkorrektur ein Herzstück für zukünftige Quantencomputer sein, sobald sie leistungsstark genug dafür sind.

Ziel der Quanten-Fehlerkorrektur ist es Qubits so geschickt anzuordnen, dass Fehler automatisch bereinigt werden können. Bei herkömmlichen Computern ist diese Aufgabe relativ einfach. Dazu müssen Bits lediglich kopiert werden. Dieser Kopiervorgang ist in der Quantenmechanik schlicht und einfach unmöglich. Dies wurde 1982 durch das „No Cloning Theorem“ ausgeschlossen. Ziel der Quantenfehlerkorrektur ist es deshalb aus mehreren echten Qubits ein einzelnes logisches Qubit zu bilden. Im Verbund verhalten sich diese echten Qubits dann wie ein einzelnes Qubit. Ein Fehler in einem physischen Qubit, das zu diesem Verbund gehört, kann dann durch die anderen Qubits des Verbundes korrigiert werden. Das Interessante dabei ist, dass der gesamte Vorgang der Fehlererkennung und Fehlerkorrektur durchgeführt wird, ohne dass ein Qubit tatsächlich gemessen werden muss.

Das bekannteste Quantenprogramm zur Fehlerkorrektur ist der sogenannte topologische Surface-Code von Alexei Kitaev und verbindet in überraschenderweise ein äußerst abstraktes Teilgebiet der Mathematik mit der Quantenmechanik: Die algebraische Topologie iii.

John Preskill vom California Institute of Technology (Caltech), verriet einmal in einem Vortrag: „Der Tag an dem ich Kitaevs Vortrag hörte, war einer der aufregendsten Tage meiner Karriere“ iv. Und das muss schon was heißen: Sie erinnern sich vielleicht an meinen Beitrag über die Quanten-Überlegenheit, wie Preskill die Wette gegen Stephen Hawking gewonnen hatte. Mittlerweile arbeitet Kitaev selbst am Caltech …

Die Quantenfehlerkorrektur sieht auf den ersten Blick vielleicht wie eine besonders knifflige technische Fleißarbeit aus. Auf der einen Seite ist sie das auch. Auf der anderen Seite führt sie uns auf eine Frage die grundlegender nicht sein könnte: Was sind eigentlich Raum und Zeit?

Quantengravitation: Was sind eigentlich Raum und Zeit?

Hinter dem „Klebstoff“ der einen Verbund von physischen Qubits für die Quantenfehlerkorrektur zusammenhält, verbirgt sich nichts anderes als das vielleicht größte Zauberwort der Quantenmechanik. Dem „Entanglement“ oder auf deutsch „Verschränkung“, wie sie früher von Erwin Schrödinger, einem der Gründerväter der Quantenmechanik, bezeichnet wurde.

Albert Einstein bezeichnete sie als „spukhafte Fernwirkung“.

Vor etwa 10 Jahren erkannten Forscher, dass besonders interessante Programme für die Quantenfehlerkorrektur dieselbe Struktur haben, wie eine junge, sehr berühmte Theorie, die aus der Superstring-Theorie hervorgegangen ist, und die die Physiker aktuell so enthusiastisch erforschen wie kaum eine andere: Die „Holographische Dualität“, die möglicherweise erste Quantentheorie für die Gravitation- bzw. die Schwerkraft. Demnach ist die Beziehung von physischen Qubits zu logischen Qubits in einem Quantencomputer dieselbe die auch für die Quantengravitation entscheidend ist v vi.

Seit Albert Einsteins Relativitätstheorie wissen wir, dass die Gravitation nichts anderes ist als eine Krümmung der Raumzeit. Das Lieblings-Anschauungsobjekt in der Relativitätstheorie ist zum Beispiel ein „Schwarzes Loch“, dass jede Art von Materie auf Nimmerwiedersehen aufsaugt, selbst das Licht. Die Krümmung ist in einem Schwarzen Loch besonders drastisch: Am Rand eines Schwarzen Loches ist die Raumzeit so gekrümmt, dass ein hineinfallender Beobachter zunächst nichts merkt vii. Ein anderer Beobachter, der sich in einer festen Umlaufbahn um das Schwarze Loch befindet und die hineinfallenden Person beobachtet, sieht etwas völlig anderes: Am Rand dehnt die Raumzeitkrümmung die Zeit immer mehr. Die hineinfallende Person erscheint deshalb immer mehr abzustoppen und überquert den Rand des Schwarzen Loches tatsächlich nie. Wie ein Filmprojektor, der sich immer langsamer dreht und am Ende den Film ganz stoppt viii.

In den 1960er Jahren wurde erkannt, dass Einsteins Krümmungsgleichungen Ähnlichkeiten mit der Strömungslehre von Flüssigkeiten haben. Seitdem wird vermutet, dass die Raumzeitkrümmung, genauso wie die Strömungslehre, nur eine Vogelperspektive von etwas noch viel Grundlegenderem ist. In der Quantengravitation versuchen die Theoretiker deshalb in die Raumzeitkrümmung „hineinzuzoomen“ und die Quantentheorie dahinter zu entdecken. Lange Zeit ohne Erfolg, bis vor zwanzig Jahren dann die so faszinierende Holographische Dualität entdeckt wurde ix.

Hinter der Quantengravitation steckt also nichts Geringeres als die Frage:

Was sind eigentlich Raum und Zeit?

Es wird vermutet das dieselben netzartigen Quanten-Verschränkungen dabei eine zentrale Rolle spielen, die auch die Quantenfehlerkorrektur möglich machen x.

Erinnern Sie sich an meine Anspielung auf den Film „Die Matrix“ am Ende meiner Einleitung? Ich finde, die Quantengravitation ist so „Matix-mäßig“ wie nur etwas. Ich frage mich dann: Kann es sein, dass unser Eindruck von den vielleicht selbstverständlichsten Größen Raum und Zeit nur ein Resultat der Quantenkomplexität ist? So in etwa wie die thermischen Teilchenbewegungen für uns einen Eindruck von Temperatur entstehen lassen?

Die Quantenfehlerkorrektur ist das endgültige Heilmittel gegen die Dekohärenz in den Quantencomputern. Sie hat allerdings einen großen Haken: Die Fehlerkorrektur erfordert so viele zusätzliche physische Qubits, dass die Quantencomputer der nächsten Jahre ohne sie auskommen werden müssen. Entsprechend kurz müssen die Quantenprogramme sein, die auf ihnen ausgeführt werden.

Die ersten Quantencomputer

Der Shor-Algorithmus schlug also ein wie eine Bombe und löste einen regelrechten Boom in der Quantencomputer-Szene aus. Bis ins Jahr 2010 gelang es der Forschung kleine Quantensysteme immer besser und immer genauer zu isolieren und damit erste experimentelle Quantencomputer zu konstruieren.

2001 erstellte IBM zum ersten Mal ein Quantensystem mithilfe des Effekts der Kernspinresonanz, den Sie übrigens auch als „Kernspin-Röhre“ in der Medizin kennen.

Der Quantencomputer von IBM war in der Lage gezielt den Shor-Algorithmus auszuführen, in dem er die Zahl „15“ in die Primfaktoren „3*5“ zerlegte …

Nein, das soll kein Witz sein.

Was sich zunächst lächerlich anhört, war tatsächlich ein Meilenstein in der Forschung. Er bewies, dass ein Quantencomputer prinzipiell gebaut werden kann und zudem in der Lage ist, das zu jener Zeit vielversprechendste Quantenprogramm auszuführen xi.

Die Kernspinresonanz erwies sich jedoch als Sackgasse für die Entwicklung des ersten Quantencomputers und es wurde später sogar in Frage gestellt, ob die Kernspin-Quantencomputer echte Quantencomputer wären.

Im Jahr 2008 gelang es Innsbrucker Forschern einen Verbund von 8 kontrollierten Qubits über eine sogenannte „Ionenfalle“ zu erzeugen. Dieselbe Forschungsgruppe ist übrigens auch im Bereich der Quantenteleportation aktiv, einem weiteren Gebiet der Quanteninformationstheorie xii.

2011 kam dann die große Nachricht: Die bis dahin eher unbekannte kanadische Firma „D-Wave-Systems“ bietet den ersten kommerziellen Quantencomputer an.

D-Wave-Systems benannte die Anzahl der Qubits in ihrem Quantencomputer mit sage-und-schreibe 128 Qubits! Wenn Sie sich jetzt nochmal die Liste in meinem vorletzten Beitrag über den Vergleich von Qubits und herkömmlichen Bits anschauen:

  • 1 Qubit entspricht 2 herkömmlichen Bits
  • 2 Qubits entsprechen 4 herkömmlichen Bits
  • 10 Qubits entsprechen 16 herkömmlichen Kilo-Byte
  • 20 Qubits entsprechen 16 herkömmlichen Mega-Byte
  • 30 Qubits entsprechen 16 herkömmlichen Giga-Byte
  • 31 Qubits entsprechen 32 herkömmlichen Giga-Byte (jedes weitere Qubit verdoppelt also die Speichergröße)
  • 45 Qubits entsprechen in etwa der Speichergröße des größten aktuellen, herkömmlichen Supercomputers
  • 50 Qubits, die „Quanten-Überlegenheit“-Grenze

Die Nachricht über D-Waves Quantencomputer sah also auf den ersten Blick so aus, als wäre damit der Durchbruch erzielt worden. Es kam noch besser: Im Jahr 2013 kauften Google und die NASA für mehrere Millionen Dollar ein Nachfolgemodell von D-Wave mit sagenhaften 512 Qubits!

Die Ära der Quantencomputer hatte also mit Pauken und Trompeten begonnen.

Oder nicht?

Referenzen

i https://arxiv.org/abs/quant-ph/0105127: wissenschaftliche Arbeit von Wojciech H. Zurek „Decoherence, einselection, and the quantum origins of the classical“. Zurek ist wohl die wissenschaftliche Instanz für die Frage über die Verbindung zwischen der Quantenmechanik und unserer makroskopischen Welt.

ii https://arxiv.org/abs/0903.5082: wissenschaftliche Arbeit von Wojciech H. Zurek „Quantum Darwinism“

iii https://arxiv.org/abs/1311.0277: Aufsatz von H. Bombin „An Introduction to Topological Quantum Codes“

iv https://www.youtube.com/watch?v=bPNlWTPLeqo: Vortrag von John Preskill “Quantum Computing and the Entanglement Frontier”

v https://www.youtube.com/watch?v=x3qGycr2uYk: Vortrag von Patrick Hayden „Spacetime, Entropy, and Quantum Information“

vii Dabei ignorieren wir gerade mal aktuelle Diskussionen zu dem Thema, die genau das in Frage stellen. Nämlich die „Firewall-Theorie“ für Schwarze Löcher.

viii https://www.youtube.com/watch?v=BdYtfYkdGDk: Videomitschnitt von Leonard Susskinds Vorlesung „General Relativity Lecture 7“

ix https://ocw.mit.edu/courses/physics/8-821-string-theory-and-holographic-duality-fall-2014/index.htm: Die Vorlesungsreihe „String Theory and Holographic Duality“ am MIT inkl. Videomitschnitten und Vorlesungsfolien. Es war die Vorgängerveranstaltung dieser Vorlesung, an der der damalige Physikstudent Brian Swingle teilnahm und die AdS/MERA-Dualität vorschlug.

x https://www.quantamagazine.org/tensor-networks-and-entanglement-20150428/: Einer von vielen sehr schönen und allgemeinverständlichen Artikeln auf Quantamagazine. https://arxiv.org/pdf/1005.3035: Die Original-Arbeit „Building up spacetime with quantum entanglement“ von Marc Van Raamsdonk, die erstmals eine Verbindung zwischen der Raumzeit und den Quanten-Verschränkungen nahelegte. Die Idee von Van Raamsdonk hat mittlerweile eine große Gemeinde von Quantentheoretikern elektrisiert. Einer der führenden Köpfe zu dem Thema ist Altmeister Leonard Susskind https://www.youtube.com/watch?v=9crggox5rbc

Was ist ein Quantencomputer?

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Durch Quantencomputer wird die rätselhafte Quantenmechanik dafür genutzt, um völlig neuartige berechnende Systeme bereit zustellen. Deshalb besitzen Quantencomputer Eigenschaften die schier unglaublich wirken: So steigert sich die Leistungsfähigkeit eines Quantencomputers zum Beispiel „exponentiell“, also explosionsartig, mit zunehmender Größe. Schon sehr bald wird die Grenze der „Quanten-Überlegenheit“ überschritten werden. Die ersten Quantencomputer werden dann für bestimmte Berechnungen jeden herkömmlichen Supercomputer überflügeln. Und das soll erst der Anfang sein.

Der Paukenschlag: Der Shor-Algorithmus

Im Jahr 1994 hatte der Mathematiker Peter Shor vom renommierten Massachusetts Institute of Technology / MIT die Idee seines Lebens. Eine Idee, die eine neue Ära einleiten würde.

Shor untersuchte ein neues Verfahren, um eine ganze Zahl in Primzahlen zu zerlegen. Diese Primzahlfaktorisierung ist eine extrem aufwendige Angelegenheit. Um sehr großen Zahlen in Primzahlen zu zerlegen, brauchen selbst sehr leistungsstarke Supercomputer mehrere Jahre. i

Unter anderem deshalb wird sie für die sichere Datenverschlüsselung im Internet verwendet. Es ist zwar sehr einfach selbst große Zahlen aus bekannten Primzahlen zusammenzusetzen (z.B. 7×13×13×17×53 = 1065883). Da die Umkehrung aber nahezu unmöglich ist, ist die Verschlüsselung im Internet bombensicher.

Eigentlich!

Shor fragte sich, ob man das neue Verfahren nutzen könnte, um neue Algorithmen für die Primzahlzerlegung zu erstellen. Irgendwann erinnerte er sich an eine Pflichtvorlesung über Quantenmechanik, die er seinerzeit als Mathematik-Student noch am California Institute of Technology (Caltech), hatte hören müssen. Ihm kam die grandiose Idee, dass das Verfahren ungleich schneller zum Ziel führen könnte, wenn man zur Berechnung nicht einen herkömmlichen Computer, sondern einen Quantencomputer verwenden würde. Er tüfftelte ein Jahr an seinem Quantenalgorithmus und kam am Ende tatsächlich zu dem gewünschten Ergebnis ii.

Shors Algorithmus schlug ein wie eine Bombe. Bis zu diesem Zeipunkt, war es noch niemanden gelungen einen Quantencomputer zu konstruieren. Der Shor-Algorithmus war aber der erste Beweis, wie ungeheuer leistungsstark ein Quantencomputer sein und welche gesellschaftlichen Auswirkungen er haben würde. Shors Algorithmus löste einen regelrechten Boom in den Quantencomputer-Szene aus.

Ein Quantencomputer macht sich die außergewöhnlichen Eigenschaften der atomaren Welt zu nutze, um über spezielle Quantenprogrammen, den Quantenalgorithmen, ganz neue Dimensionen in der Rechengeschwindigkeit zu erzielen. Das Wort „außergewöhnlich“ ist hierbei wohl noch untertrieben. Die Quantenwelt ist eine rätselhafte Welt mit schon fast magischen Eigenschaften.

Um einen Eindruck davon zu bekommen, was das Besondere an einem Quantencomputer ist, müssen wir uns erst einmal anschauen, wie ein herkömmlicher Computer funktioniert.

Wie funktioniert eigentlich ein herkömmlicher Computer?

Nehmen wir Ihren Computer, mit dem Sie diese Zeilen lesen. Er steuert Informationen in Form von Nullen und Einsen über Bits bzw. Bytes an. Die Zahl „71“ wird z.B. durch die Bit-Reihe „0100 0111“ dargestellt und der Buchstabe „J“, per Konvention, durch die Bit-Reihe „100 1010“. Ihr Computer merkt sich, ob eine Bit-Reihe eine Zahl, einen Buchstaben, ein Bild oder Musik darstellt. Die Bits selbst existieren in Form von Milliarden elektrischer An / Aus – Schalter, den Transistoren. Zusammen bilden sie den Arbeitsspeicher Ihres Computers. Ein guter herkömmlicher Computer besitzt etwa 16 * 8 Milliarden Bits oder anders ausgedrückt: 16 Gigabyte. Ein Computerprogramm manipuliert diese Bits in einzelnen Rechenschritten über die elementarsten Bausteine der menschlichen Logik: UND-Verknüpfungen, ODER-Verknüpfungen, NICHT-Verknüpfungen. Diese Verknüpfungen werden auch „Gatter“ genannt (englisch gates). Eine NICHT-Verknüpfung kehrt ein einzelnes Bit z.B. in sein Gegenteil um: NICHT 0 = 1, NICHT 1 = 0 .

Über geschickte elektrische Schaltungen, dem Datenbus, ist Ihr Computer in der Lage jedes der unzähligen Bits im Arbeitsspeicher gezielt anzusteuern, auszulesen oder mit neuen Werten zu überschreiben. Ein Rechenschritt sieht dann zum Beispiel so aus:

„Lese den Wert des Bits mit der Adress-Nummer 1543216 und den Wert des Bits mit der Adress-Nummer 6543 aus und verknüpfe beide Werte mit einem UND-Befehl. Speicher das Ergebnis im Bit mit der Adress-Nummer 789874“. Durch eine geschickte Hintereinanderreihung dieser elementaren UND-, ODER-, NICHT-Verknüpfungen ist Ihr Computer zum Beispiel in der Lage zwei Zahlen miteinander malzunehmen. Nach jedem einzelnen dieser Rechenschritte schreibt Ihr Computer die Zwischenergebnisse wieder in den Arbeitsspeicher hinein und ruft sie von dort wieder für den nächsten Rechenschritt auf. Das Programm für das Mal-Nehmen sieht unnötig umständlich und mechanisch stupide aus. Da Ihr Computer aber in der Lage ist Milliarden von Rechenschritten pro Sekunde auszuführen ist er jedem Menschen am Ende in solchen Aufgaben gigantisch überlegen.

Nun zum Quantencomputer: Die Qubits

Ein Quantencomputer steuert im Gegensatz dazu die Informationen nicht über einfache An / Aus-Schalter an, also den herkömmlichen Bits, sondern über sogenannte „Qubits“ (für Quanten-Bits). In einem Qubit sind die Werte 0 / 1 bzw. An / Aus gleichzeitig in einer überlagerten Form vorhanden. Das sieht auf den ersten Blick vielleicht harmlos aus. Tatsächlich ist diese Überlagerung eines der großen Rätsel der Quantenmechanik.

Die zweite so außergewöhnliche Eigenschaft von Qubits ist die Folgende. Selbst kleinste Mengen an Qubits in einem Quantencomputer können eine riesige Anzahl von Informationen gleichzeitig aufnehmen und verarbeiten: iii

  • 1 Qubit entspricht 2 herkömmlichen Bits
  • 2 Qubits entsprechen 4 herkömmlichen Bits
  • 10 Qubits entsprechen 16 herkömmlichen kilo-Byte
  • 20 Qubits entsprechen 16 herkömmlichen Mega-Byte
  • 30 Qubits entsprechen 16 herkömmlichen Giga-Byte
  • 31 Qubits entsprechen 32 herkömmlichen Giga-Byte

Jedes weitere Qubit verdoppelt also die Anzahl von gleichzeitig verwendbaren Informationen! Die Leistungsfähigkeit eines Quantencomputers steigt also exponentiell! Und so geht’s weiter:

  • 45 Qubits entsprechen in etwa der Speichergröße des größten aktuellen, herkömmlichen Supercomputers
  • 50 Qubits, die „Quanten-Überlegenheit“-Grenze: Die, zumindest theoretische, Grenze an dem ein Quantencomputer gewisse Berechnungen durchführen kann, die mit keinem der aktuellen Supercomputern durchführbar wären. iv Die Tech-Riesen liefern sich um genau diese Grenze gerade das große Wettrennen.
  • 250 Qubits: Die absolute Grenze die überhaupt machbar wäre für herkömmliche Computer. Um die Speichergröße eines 250 Qubit-Quantencomputers zu erreichen, müsste ein herkömmlicher Computer jedes Atom im Universum als herkömmliches Bit verwenden.

Das wirkt unglaublich. Ist es auch!

Und nun bedenken Sie mal, dass die Quantencomputer-Branche das Ziel hat irgendwann einmal Quantencomputer mit Millionen von Qubits zu bauen!

Quantenparallelismus: Die Superposition

Der Clou bei diesen ungeheuren Zahlen ist aber tatsächlich Folgender: Nehmen wir nochmal das Beispiel mit dem Mal-Nehmen. Ihr herkömmlicher Computer nimmt zwei Zahlen, in Form von zwei Bit-Reihen im Arbeitsspeicher, führt das festgelegte Programm von einzelnen Rechenschritten aus und erhält am Ende eine Zahl in Form von einer Bit-Reihe.

Ein Quantencomputer nimmt im Gegensatz dazu für eine Aufgabe zwei Qubit-Reihen, speichert die Zwischenergebnisse wieder in Qubits und erhält am Ende das Ergebnis in Form einer Qubit-Reihe v. Da in einer Qubit-Reihe aber riesige Mengen von Informationen gleichzeitig enthalten sein können (s.o.), kann der Quantencomputer das Programm letztendlich gleichzeitig mit einer riesigen Menge von Zahlen ausführen. Dies ist der Quantenparallelismus. Normalerweise spricht man aber von der „Superposition“. Tatsächlich gibt diese Form von Überlagerung öfter in der Natur und nicht nur in der Quantenmechanik vi. Was den Quantenparallelismus so besonders macht ist die Tatsache, dass nur wenige Qubits so unvorstellbar große Datenmengen überlagern können. Die Qubits werden nämlich nicht nur einzeln überlagert, sondern der gesamte Verbund an Qubits. Und gerade dabei erhöht sich die Anzahl von möglichen Kombination so rasant. Für drei Qubits werden also z.B. bis zu acht mögliche Bit-Zustände gleichzeitig verwendet (das entspricht 2³): Nämlich 000, 100, 001, 101, 011, 111, 010 und 110.

Einsteins spukhafte Verschränkung

Das vorangegangene Beispiel hat eine bizarre Konsequenz. Albert Einstein höchstpersönlich sagte sie 1935 in einem berühmten Aufsatz voraus: Die „Quanten-Verschränkung“ (engl. „entanglement“, er selbst bezeichnete das Phänomen auch „spukhafte Fernwirkung“). Wir können zwei Qubits (oder auch mehrere Qubits) derart überlagern, dass wir sie nicht mehr als einzelne Qubits erkennen können. Stattdessen bilden sie eine völlig neuartige, einheitliche Zustandsform. Sie erscheinen „verschränkt“: Eine Messung am ersten Qubit hat sofort Auswirkungen auf das zweite Qubit.

Ziel von Einsteins Arbeit war es tatsächlich, der Quantenmechanik einen grundlegenden Denkfehler nachzuweisen. Laut Einstein müsste diese Einheit bestehen bleiben, selbst wenn die beiden Qubits Lichtjahre voneinander entfernt wären. Deshalb sprach er von Fernwirkung. Das Verrückte dabei ist: Alle Experimente deuten daraufhin, dass es genauso ist. Die Fernwirkung ist real in der Quantenwelt.

Solche verschränkte Zustandsformen gibt es nirgendwo sonst in den Naturwissenschaften. Vielleicht bis auf eine Ausnahme: Ein sogenanntes astronomisches „Wurmloch“, das zwei schwarze Löcher über eine Distanz von vielen Lichtjahren miteinander verbinden kann, als eine Art Hyper-Schnellstraße. Inwiefern diese beiden Phänomen zusammenhängen werde ich in einem späteren Beitrag erläutern.

Aber: Jede Messung zerstört die Quanteneigenschaften

Die enorme parallele Rechenleistung eines Quantencomputers hat leider einen großen Haken: Sie funktioniert nur solange der Quantencomputer perfekt von seiner Umgebung isoliert ist und die höchst fragilen Qubits ungestört sind. Indem wir am Ende allerdings das Ergebnis des Quantenprogramms aus den Qubits auslesen, tun wir aber genau das. In diesem Moment „zerfallen“ die gleichzeitig vorhandenen Werte und übrig bleibt nur ein einziger Wert der darüber hinaus auch noch zufällig gewählt wird. Dieser Zerfall ist als „Kollaps der Wellenfunktion“ bekannt und ist noch so ein Mysterium der Quantenwelt. Er war der Grund, warum manche Physiker, unter ihnen selbst Albert Einstein, die Quantentheorie zwar schätzten und vorantrieben aber im Grunde ablehnten: „Gott würfelt nicht“.

Und jetzt? Was ist überhaupt gewonnen, wenn am Ende doch nur alles vom Zufall abhängt?

Jetzt kommt das Aber: Die Wahrscheinlichkeiten, mit denen die verschiedenen Werte am Ende ausgelesen bzw. gemessen werden, können wir beeinflussen. Die Kunst eines Quantenprogramms besteht unter anderem darin, die Qubits so zu manipulieren, dass das gesuchte Ergebnis am Ende am Wahrscheinlichsten gemessen wird. Bis dahin, also während er noch von seiner Umgebung isoliert ist, kann dann die enorme Rechenkraft des ungestörten Quantencomputers genutzt werden.

Quantengatter: Die Bausteine der Quantenprogramme

In einem Quantenprogramm verwendet der Quantencomputer in jedem Rechenschritt übrigens ebenfalls elementare Logik-Bausteine, den „Quantengattern“ (engl. quantum gates). Diese spiegeln allerdings nicht unsere normale, Alltags-Logik wieder, sondern die Quantenlogik: Somit heißen die elementaren Bausteine nicht mehr UND, ODER oder NICHT. Stattdessen verwendet ein Quantencomputer Logik-Bausteine die z.B. Hadamard, X, Y, Z, CNOT und CZ heißen. Dies ist unter anderem der Grund, warum ein Quantenprogramm nur für Kenner für Quantenalgorithmen entziffert und verstanden werden kann.

Für alle Darstellungen von Quantengattern verwende ich auf „quantencomputer-info“ den exzellenten Quantencomputer-Simulator „Quirk“:

http://algassert.com/quirk

Quirk ist öffentlich erreichbar und kann direkt im Browser ausprobiert werden.

Folgendes Beispiel zeigt den Grover-Algorithmus für zwei Qubits, den ich Ihnen in einem späteren Beitrag im Detail vorstellen werde:

In jedem Bereich der herkömmlichen Programmierung existiert eine lebhafte IT-Szene im Internet, die die weitere Entwicklung stark beeinflusst: Seien es Server, Netzwerke. Datenbanken, Internet, Programmierung, … Die IT-Szene für Quantenprogrammierung sitzt hauptsächlich noch in den Forschungseinrichtungen von Universitäten und hauptsächlich in den Spezialabteilungen von Google, IBM, Microsoft & Co und einigen Startups für Quantencomputer. Seit dem Frühjahr 2018 gibt es zwar das neue Diskussionsforum „Quantum Computing Stack Exchange“ vii, dass sich sehr lebhaft und inhaltlich hochwertig entwickelt. Wichtige Ergebnisse werden trotzdem weiterhin über komplizierte wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht.

Die wohl folgenreichste dieser Veröffentlichung war gerade der Algorithmus von Peter Shor aus dem Jahr 1994, der in der Lage ist, die als sicher geglaubte Datenverschlüsselung im Internet zu knacken. Mittlerweile wurden andere, rasend schnelle und vermutlich auch interessantere Quantenalgorithmen konstruiert.

Beispiel von der Quirk-Homepage: Schematischer Aufbau des Shor-Algorithmus

An den beiden Beispielen erkennen wir übrigens auch, wie sehr die Quanten-Programmierung noch in den Kinderschuhen steckt. Alle Programme werden aktuell noch in einer Art „Maschinencode für Quantencomputer“ beschrieben und sind entsprechend schwer zu entziffern. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird sich die Quanten-Programmierung also auch in dieser Hinsicht weiterentwickeln müssen. Die Softwareentwicklung für herkömmliche Digitalcomputer hat es uns vorgemacht. So sind im Laufe der Zeit immer intuitivere Programmiersprachen entstanden, die den eigentlichen Maschinencode immer besser abstrahieren.

Fußnoten

ii https://www.scottaaronson.com/blog/?p=208: Eine allgemeinverständliche Beschreibung des Shor-Algorithmus auf Scott Aaronsons Blog. Scott Aaronson ist einer von mehreren namhaften Computerwissenschafltern, die mittlerweile im Bereich der Quantencomputer forschen.

iii https://www.youtube.com/watch?v=O_RlktWkSdg: Vortrag von Matthias Troyer (mittlerweile bei Microsoft angestellt) u.a. „Transforming Machine Learning and Optimization through Quantum Computing“

iv https://arxiv.org/abs/1203.5813: wissenschaftliche Arbeit von John Preskill „Quantum computing and the entanglement frontier“

v http://cds.cern.ch/record/722038/files/0403048.pdf: Aufsatz von G. Florio, D. Picca „Quantum implementation of elementary arithmetic operations“. Falls Sie sich den Aufsatz ansehen erkennen Sie auch direkt wie absolut anders ein Quantenalgorithmus aussieht. Das liegt u.a. an den Quantengattern.

vi Tatsächlich gilt das Superpositionsprinzip auch in der Elektrodynamik und somit auch in der Elektronik. In den herkömmlichen Computern wird dies aber gerade gewollt ausgehebelt, um das digitale Verhalten der herkömmlichen Computer überhaupt erst zu ermöglichen. Möglich machen dies ausgerechnet die nichtlinearen An/Aus-Schaltelemente auf Basis der Quantentechnologie: Die Transistoren. Diese sind tatsächlich nur in einem reinen Quantensystem linear.